Bild nicht mehr verfügbar.

Es weihnachtet sehr...zumindest was Lebkuchen und Festtagstollen betrifft

Foto: APA
"Ich hab' einen Tobsuchtsanfall bekommen", geht Andrea noch immer in Saft, wenn sie von dieser Begegnung der jenseitigen Art erzählt. Ursprünglich war ihr das Adrenalin eingeschossen, als sie gut gelaunt und vollkommen entspannt aus dem Urlaub in die Stadt zurück kehrte, mit ihrer bis dato noch ungetrübten Sommerstimmung in den nächsten Hofer zum Einkaufen marschierte - und mit einem Mal vor den ersten, massiv präsentierten Adventbäckereien stand. Der ultimative Killer jeglichen sommerlichen Nachklangs.

Andrea kann nicht einmal in andere Geschäfte flüchten: Das war keine singuläre Verfehlung eines Filialleiters. Wir machen einen Kontrolleinkauf beim Merkur. Da sind sie gleich neben der Kassa aufgestapelt, die adventlichen Fressalien: Zimtsterne, Schokokipferl, Lebkuchenmänner, Spekulatius. Daneben noch ein Berg: Honigkuchen-Dosen, Lebkuchen Allerlei, Powidl-Knöpfe - zum "Aktionspreis". Zum Aktionspreis! Der erste Weihnachtsausverkauf, mitten im September.

Jetzt könnte man noch argumentieren, dass manche Kunden Spekulatius zu jeder Jahreszeit gern knurpseln. Aber da gibt es ja noch weitere Stapel daneben: "Fest-Brez'n", "Gute Laune Lebkuchen", "Herzen & Sterne" mit "Latte Macchiato-Füllung" und die "Feinen Kokosschnitten" mit der großen Aufschrift "Karibische Weihnacht".

Wenn sie das im Hochsommer als karibischen Gag anbieten - okay. Aber jetzt, im gerade erst begonnenen Herbst? Und was liegt daneben? Ein "Schnee-Häuschen" aus Lebkuchen "zum Selbstbauen". Bei diesem Lebkuchenhäuschen sind übrigens "Alle Dekorteile essbar". Aber sind sie das auch noch in mehr als drei Monaten, zu Weihnachten?

Advent, Zeit der Besinnung, Zeit der Einkehr - das kann man in der Stadt nicht schnell genug vermarkten. Wer ist der Erste beim Regalumschlichten? Wer fängt die ersten Kunden mit Besinnlichkeitsnascherei? Wer liefert als erster das Winterspeck-Futter?

Das hat Methode. Kaum hat der kalendarische Winter endlich wirklich begonnen, wird er auch schon wieder ausverkauft. Ein halbes Jahr später ist dann Sommerschlussverkauf - wenn wir gerade das erste Mal im Freibad waren.

So gesehen, wird der Christkindlmarkt am 17. November geradezu sträflich spät aufgesperrt. Um konkurrenzfähig zu bleiben, müsste er eigentlich schon jetzt mit Christkindls Erntedank eröffnet werden. (Roman David-Freihsl/DER STANDARD – Printausgabe, 15./16.9.2007)