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Foto: APA/Barbara Gindl
Die Behandlung von bandscheibenbedingten Rückenschmerzen mit körpereigenen, entzündungshemmenden Proteinen, so genannten Orthokinen, sei wirksam und sicher. Dieses Ergebnis einer randomisierten, prospektiven Doppelblindstudie mit 84 PatientInnen, wurde kürzlich in der Fachzeitschrift Spine veröffentlicht.

Biological über sechs Monate besser

Ziel der klinischen Studie: die Wirkung der körpereigenen Schutzproteine bei entzündeten Nervenwurzeln mit der Standardtherapie Kortison zu untersuchen und zu vergleichen. Das Ergebnis: Über den Zeitraum von sechs Monaten konnten mit dem Biological bessere Ergebnisse als mit der Kortisonbehandlung erzielt werden.

Kritik - gleich effektiv wie Kortison

Kritik an der neuen Therapie übt der deutsche Orthopäde Stefan Heidersdorf, der selbst an der Studie mitgewirkt hat. Die Patienten, die an der Studie teilgenommen haben, kommen weiterhin zu ihm zur Behandlung. "Ihnen geht es jetzt nicht wesentlich besser und auch nicht schlechter. Das heißt es gibt generell überhaupt keinen Grund dieses Medikament zu verabreichen, weil die althergebrachte Behandlung mit Kortison meiner Meinung nach die gleiche Effektivität hat."

Vorteil bei Diabetes

Er sieht die Orthokin-Therapie schon als neuen Ansatz, aber den einzigen wirklichen Vorteil in der Anwendbarkeit bei Diabetikern. "Kortison erhöht ja den Blutzuckerspiegel und ist daher für Diabetiker ungeeignet." Laut Heidersdorf wecke man falsche Hoffnung bei Patienten, denn die Kortison-Therapie ist seiner Meinung nach genauso effektiv.

Sein Hauptkritikpunkt: "Die Orthokin-Behandlung kostet zwischen 800 und 1000 Euro und wird normalerweise ein- bis dreimal durchgeführt. Das müssen die Patienten privat bezahlen, weil die Kassen die Kosten – im Gegensatz zur Kortison-Therapie – nicht übernehmen."

Wirkweise der Orthokin-Therapie

Die Wirkung der Orthokin-Therapie, die in Österreich übrigens auch zur Behandlung von Arthrose angeboten wird, basiert auf folgendem Prinzip: Wenn die Bandscheibe aus ihrer ursprünglichen Position gerät und auf die Nervenwurzel drückt, kommt es zur Ausschüttung von bestimmten Botenstoffen des Immunsystems, wie Interleukin-1 oder TNF-alpha. Diese Stoffe sind für Entzündung, Schmerz und Gefühlsstörungen verantwortlich, so die Erklärung in einer Aussendung des deutschen Herstellers. Durch die Behandlung mit biologischen Gegenspielern könnten Entzündungen und Schmerzen jedoch gestoppt werden.

Proteine aus dem Blut

Bei dem von Peter Wehling und dem Molekularbiologen Julio Reinecke entwickelten Verfahren werden diese Proteine aus dem Blut des Patienten gewonnen. Dazu nehmen die Ärzte mit einer Spezialspritze Blut ab. Die Blutzellen werden darin zur Produktion von IL-1Ra und anderen Zytokinantagonisten und Wachstumsfaktoren angeregt. Nach der Aufarbeitung im Labor kann diese Proteinlösung entnommen und in Form von Spritzen verabreicht werden. "Ausgehend vom Verständnis dieser Krankheitsmechanismen haben wir mit der Orthokin-Therapie einen völlig neuen Ansatz in der Behandlung von Wirbelsäulenerkrankungen entwickelt", erklärt Wehling, Vorstandsvorsitzender der Orthogen AG in Düsseldorf.

Schmerzbeurteilung

Wichtigstes Messinstrument für die Schwere der Erkrankung war die wissenschaftlich anerkannte Visuelle Analogskala (VAS), auf der die Patienten auf einer Skala von 0 bis 100 die Intensität ihrer Schmerzen angeben (0 = kein Schmerz, 100 = höchster vorstellbarer Schmerz). Vier Wochen nach den Behandlungen zeigte sich bei allen drei untersuchten Patientengruppen (Kortison 5 mg, Kortison 10 mg, Orthokin) eine statistisch signifikante Besserung der Symptome (VAS 30-34). Im Verlauf der Studie gingen die Schmerzen der Orthokin-Patienten weiter zurück auf VAS=15, während sich bei den Kortisonpatienten das Schmerzniveau höher einpendelte. Insgesamt war die Schmerzreduktion laut der Studie unter der Orthokin-Therapie größer als unter der Standardtherapie.

"In den ersten sechs Monaten, also im Verlauf der Studie, war das tatsächlich der Fall. Danach nähern sich die Schmerz-Kurven aber an und sind nahezu identisch", erklärt Heiderdorf. Mögliche Nebenwirkungen einer längerfristiger Kortisontherapie wie eine Schwächung des Immunsystems, Osteoporose oder Wassereinlagerungen sieht er nicht als Gefahr: "Dafür sind die verabreichten Kortisonmengen von fünf oder zehn Milligramm und das ein- bis dreimal viel zu gering." (mat, derStandard.at)