Der Verbund will Energie aus Wasserkraft nachhaltig nützen und verwendet daher Vorhersagemodelle. Der Zweck? Der Strom-anbieter spart damit Geld.

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Mit künstlicher Intelligenz können Stromanbieter Wasserkraft planbar machen. Sie schauen in die Zukunft und sagen ziemlich genau voraus, wie viel Energie in Flüssen steckt. Auch Wetterfrösche jubeln: Mit dem gleichen Tool lassen sich genauere regionale Prognosen erstellen.

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Überraschungen mögen Klaus Hebenstreit und Robert Spolwind ganz und gar nicht. Jedenfalls nicht solche, die sich auf die Entwicklung der Pegelstände von Österreichs Flüssen beziehen. Denn wie viel Strom die beiden Wasserkraftexperten des Verbunds in das österreichische Netz einspeisen können, hängt von der Wassermenge in Donau, Drau oder Inn ab. "Man kann die Energie nur nachhaltig nutzen, wenn man vorher weiß, wie viel Energie im Fluss zur Verfügung steht", sagt Hebenstreit. Strom in Mengen, die zur Versorgung von Millionen von Haushalten ausreichen, habe nämlich die unangenehme Eigenschaft, dass er nicht mehr gespeichert werden könne. Die Kunst sei, gerade so viel zu produzieren, wie auch tatsächlich gebraucht wird. Batterien seien da jedenfalls undenkbar.

Besser planen

Um besser planen zu können, müssen die Stromerzeuger daher jeden Tag aufs Neue anmelden, wie viel Strom sie ins das öffentliche Netz einspeisen wollen. "Große Abweichungen von diesem Wert haben ernst zu nehmende finanzielle Konsequenzen", so Spolwind. "Und zwar auch wenn wir zu viel produzieren." Es kommt daher darauf an, dass sie die Pegelstände möglichst exakt voraussagen können.

Seit ungefähr einem Monat wachen die Experten daher nun mithilfe von künstlichen neuronalen Netzen (KNNs) über die Wasserstände. "Unser Prognosemodell basiert auf verschiedenen Modulen mit unterschiedlicher Vorhersagedauer, die in Kooperationen mit der Universität für Bodenkultur und der Technischen Universität Wien entstanden sind", sagt Hebenstreit, " es hat sich nach wenigen Wochen Einsatz gezeigt, dass wir mit den KNNs noch präziser in unseren kurzfristigen Voraussagen werden können."

In Österreich ist das besonders wichtig, da Strom aus Wasserkraft die tragende Säule der Energieversorgung des Landes ist. Der Anteil liegt bei rund 60 Prozent. Besonders für die so genannten Laufkraftwerke, die rund um die Uhr Strom zur Deckung der Grundlast erzeugen, sei die neue Methode gedacht, so Spolwind. Bei dieser Art der Stromerzeugung versetzt die Energie des strömenden Wassers Turbinen in den Flüssen in Bewegung. Speicherkraftwerke in den Bergen dienen dagegen eher zur Deckung von Bedarfsspitzen. Hier könne länger im Voraus geplant werden, sagt Hebenstreit.

"Mit den ersten Arbeiten zu diesem Projekt haben wir vor rund zwei Jahren begonnen", sagt Thomas Natschläger, der als Experte für KNNs vom Software Competence Center Hagenberg (SCCH) an dem neuen Prognosemodell mitgearbeitet hat. "Diese Methode breitet sich in immer mehr Bereichen aus", so der Experte.

Kein Allheilmittel

Die KNNs seien allerdings kein Allheilmittel, warnt er. Bei der Prognose der Zuflussmengen könne man das Berechnungsverfahren aus zwei Gründen, die auch allgemein gültig seien, sehr gut einsetzen. Zum Ersten sei die Fragestellung entscheidend: Die Netze kommen überall da gut zum Zuge, wo man an einer möglichst exakten Prognose interessiert ist, ohne allerdings im Detail verstehen zu müssen, wie das Ergebnis berechnet wird, erklärt Natschläger. Für einen Prozess zur Papiererzeugung, bei dem man die genauen Rohstoffparameter, wie zum Beispiel Zellulose-, Wasser- und Füllstoffanteil wissen möchte, um ein optimal bedruckbares Papier herzustellen, sei die Methode nicht geeignet.

Bei der Pegelstandsvorhersage sei es durch die Komplexität der Zusammenhänge zudem gar nicht möglich, zu verstehen, welche der Einflussgrößen welche Auswirkungen haben. "Was zählt, ist das Ergebnis der Prognose", sagt Natschläger. Der Rest sei für die Zwecke des Verbundes nicht so wichtig. Zum Zweiten braucht man eine möglichst große Datenbasis, um die Netze trainieren zu können, erklärt der Experte.

Dabei konnten die Experten auf die historischen Daten der Pegelstände, Temperaturen und Niederschläge von über zehn Jahren zurückgreifen. Die zunächst nur grob mathematisch dargestellten Zusammenhänge zwischen diesen Einflussgrößen und der exakten Durchflussmenge und der Fließgeschwindigkeit an der Stelle eines Laufkraftwerkes wurden mithilfe dieser Daten auf die Pegelstandsfrage angepasst. "Wir wussten die genauen Eingabegrößen - und auch die genauen Zuflussmengen nach sechs Stunden. Die Idee ist nun, einen Optimierungsalgorithmus über die groben Formelzusammenhänge laufen zu lassen", sagt Natschläger.

Dabei wird das KNN so angepasst, dass es für unzählige solcher bekannten Datensätze das richtige Ergebnis aufweist. "Man geht dann davon aus, dass das Modell auch Pegelstände, die noch einige Stunden in der Zukunft liegen, präzise bestimmen kann", so der Softwareentwickler. Tatsächlich seien die Ergebnisse im Kurzfristbereich äußerst viel versprechend, sagt Spolwind. Ihr Kurzfristprognosenmodell könne mit neuen Datensätzen zudem fortlaufend verbessert werden. "Zurzeit schauen wir, inwieweit man die KNN auch für Prognosehorizonte von einigen Tagen einsetzen kann", sagt Hebenstreit.

In der Wettervorhersage kennt man die künstlichen neuronalen Netze zwar schon länger, aber erst jetzt beginnt man sie mehr und mehr auch einzusetzen. Wolfgang Traunmüller, Meteorologe bei der Firma Blue Sky Wetteranalysen, arbeitet daran, die Methode für die bessere Vorhersage des lokalen Wetters anzupassen. "Die gängigen meteorologischen Modelle berücksichtigen lokale geografische Rahmenbedingungen nicht oder nur in sehr eingeschränktem Maße. Das gilt insbesondere für das Alpenvorland mit kleinen Nebeninseln oder örtlich begrenzten Starkregengebieten. "Mithilfe der KNNs erreichen wir deutlich bessere Prognosen, vor allem in der Temperatur", sagt Traunmüller. (Denis Dilba/DER STANDARD, Printausgabe, 12.9.2007)