Bekehrungsversuch ohne Erfolgsaussichten: Bei der Väterkarenz stieß Doris Bures bei Michael Jeannée auf blankes Unverständnis. Jeannée: "Allein die Vorstellung, dass ich das Kind wickel ... das ist mir absolut fremd. Tut mir Leid!"

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"Ohnmacht im Kreißsaal ist ein Entschuldigungsgrund. Mein Mann war bei der Geburt unserer Tochter dabei - und war eine große Hilfe."

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Kolumnist ohne Gnade
Bekommt jemand "Post von Jeannée", liest die halbe Nation mit: Seit Februar schreibt Michael Jeannée in der Krone Promis und Politikern seine Meinung - speziell bei Ausrutschern von Frauen kennt er keine Gnade. Dem Kleinformat ist der 64-Jährige seit 22 Jahren treu. In den 80ern stöberte Jeannée als rasender Reporter Udo Proksch und Bela Rabelbauer in Manila auf. 1993 beerbte er den Society-Spezialisten Roman Schliesser als "Adabei". Nach einer Zwangspause machte ihn sein Boss Hans Dichand zum wichtigsten Postler des Landes.

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Vor Nina Weißensteiner taten sich zwei Welten auf: Bures will Gleichberechtigung, Jeannée postuliert den weiblichen Vormarsch, die Ministerin will Beamte an der Grenze abziehen, der Journalist dort bloß kein Laissez-faire.

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STANDARD: Frau Minister, heute schon Jeannée gelesen?

Bures: Ausnahmsweise nicht. Es war bisher etwas turbulent.

STANDARD: Sein Thema ist: Karl-Heinz Grassers Ohnmachtsanfall im Kreißsaal. Dürfen heutzutage Männer ihre Frauen in der „schweren Stunde“ der Geburt überhaupt noch alleine lassen?

Bures: Also, Ohnmacht ist ein Entschuldigungsgrund. Mein Mann war bei der Geburt unserer Tochter dabei – und war eine große Hilfe. Generell gilt aber: Die werdende Eltern entscheiden, was sie möchten.

Jeannée: D’accord! Dem Grasser halte ich die Stange. Er hat den Kaiserschnitt unterschätzt. Aber deswegen ist er noch kein Weichei oder Waschlappen – sondern ein offen und ehrlich in Ohnmacht gefallener Mann. Ich jedenfalls würde im Kreißsaal nicht dabei sein. Bei der Geburt meiner Tochter war ich so lange dabei, bis der Arzt gesagt hat: „Wenn Sie jetzt nicht gehen, dann müssen Sie bis zum Ende dableiben.“ Und schwupp, war ich draußen.

STANDARD: Herr Jeannée, sind Sie ein Chauvi?

Jeannée: Ich weiß schon, dass mir dieser Ruf vorauseilt. Aber was ist das, ein Macho, ein Chauvi? Ich bin sicher keiner, der die Frauen als weniger wichtig als die Männer erachtet. Ich meine: Beide Geschlechter haben ihren Bereich, und in dem sollen sie bleiben und sich entfalten.

STANDARD: Frau Minister, überkommen Sie nicht Bekehrungsgelüste, wenn Sie bei Herrn Jeannée etwa von den „Karl-Schranz-Oberschenkeln“ der Jedermann-Buhlschaft Marie Bäumer lesen, die „wenig mit Erotik zu tun“ hätten?

Bures: Nein, weil ich nichts Lehrerhaftes an mir habe. Aber worüber ich schon gern diskutieren würde: Dass es nicht hier eine Männergesellschaft und da eine Frauengesellschaft geben sollte. Es geht doch um ein solidarisches Zusammenleben.

STANDARD: Frauen verdienen im Schnitt weniger als Männer für gleiche Arbeit, sind in den Führungsetagen unterrepräsentiert. Was läuft da falsch?

Jeannée: Mag sein, dass die Statistik mich eines Besseren belehrt. Aber ich sehe das alles nicht so krass. Ich sitze hier einer Frau Minister gegenüber. Die Frauen sind doch im Vormarsch begriffen, wie es vor hundert Jahren kaum denkbar war. Ein Beispiel: Es gab einst die durchaus wichtige Frauenkolumne von der Frau Deissen, das war die Parade-Emanze sozusagen. Nur heute gibt es dafür keinen Bedarf mehr. Wir leben ja nicht im Orient. Dort ist es etwas anderes. Aber hier, wo ist denn die Frau da benachteiligt?

Bures: In einem stimme ich Ihnen zu: dass die Frauen im Vormarsch sind. Aber wir sind noch immer nicht auf Augenhöhe, nicht gleichberechtigt. Wenn es etwa um die Professuren an den Unis geht, sind Frauen noch immer unterrepräsentiert, obwohl sie mittlerweile einen sehr hohen Anteil an den Akademikern stellen. Dasselbe in Konzernen ...

Jeannée: Aber wer ist schuld? Die Männlichkeit? Meinen Sie, dass wir das verhindern?

Bures: Nein. Mir liegt aber daran, dass wir an Verbesserungen für die Frauen arbeiten.

Jeannée: Und was sagen Sie zum Beispiel zur Frau Merkel in Deutschland? Und wie hieß sie schnell in England? Die Maggie Thatcher, eine Frau. Sie war es, die die Gewerkschaften zerschlagen hat. Das muss man sich vorstellen, einfach großartig!

Bures: Ja, es gibt viele Frauen in der Spitzenpolitik. Aber wir müssen eben auf allen Ebenen nachziehen. Zur Einkommenssituation: Viele Frauen arbeiten hart, 40 Stunden in der Woche, und haben nur ein Einkommen von 800 Euro brutto.

Jeannée: Glauben Sie nicht, dass es auch Männer gibt, die dafür nur 800 Euro kriegen?

Bures: Freilich, aber es gibt etwa 40 Branchen, in denen Frauen selbst bei Vollerwerbstätigkeit unter 1000 Euro Lohn liegen. Dazu gehören vor allem die klassischen Frauenberufe wie Kosmetikerin oder Fußpflegerin. Das ist kein Zufall. Das möchte ich nun mit den Sozialpartnern ändern. Ich bin offensichtlich etwas ungeduldiger als Sie.

STANDARD: Viele weibliche Berufstätige tragen an der Doppelbelastung. Haben Sie eine Idee, wie man mehr Männer in die Karenz kriegt?

Jeannée: Nein, wirklich nicht. Da weigere ich mich, darüber nachzudenken. Vielleicht bin ich schon zu alt dafür, aber allein die Vorstellung, dass ich das Kind wickel ... das ist mir absolut fremd. Tut mir Leid!

Bures: Wir haben drei Prozent Karenzväter, 97 Prozent der Karenzgeldbezieher sind weiblich. Viele junge Familien schrecken vor dem Einkommensverlust zurück, der droht, wenn der Mann in Karenz geht. Daher brauchen wir ein höheres Kindergeld als Anreiz für die Väter. Aber für diesen Schritt entscheiden müssen sich schon die Familien selbst.

Jeannée: Eben. Als meine Tochter klein war, habe ich in der Früh oft auf das Kind aufgepasst. Und so kann ich sagen: Meine Tochter hat an meiner Hand laufen gelernt. Aber das hat sich so ergeben. Gewickelt habe ich sie nie. Das darf man nicht zum Problem machen.

Bures: Meine Aufgabe ist es, dafür zu sorgen, dass sich die Frauen möglichst frei entscheiden können, ob sie beim Kind zu Hause bleiben oder gleichzeitig arbeiten gehen. Nur derzeit funktioniert das noch nicht recht: Einfach, weil es auch zu wenig Betreuungseinrichtungen für Kinder gibt.

STANDARD: Themenwechsel: Herr Jeannée lobte Sie unlängst ausführlich in seiner Kolumne, weil Sie nun „den Beamten an die Gurgel fahren“. Für Sie ein Ansporn bei der Reform des Staatsdienstes?

Bures: Natürlich freut man sich über so etwas. Aber worum es mir vor allem geht: Wir haben 135.000 Beschäftigte im öffentlichen Dienst, damit ist der Bund der größte Arbeitgeber im Land. Das wird mit Steuermitteln finanziert, das heißt, dafür zahlen alle Österreicher. Ich möchte eine sparsame, effiziente Verwaltung erreichen. Darum muss man sich auch von Dingen trennen, die keiner mehr versteht. Etwa von der Milchzulage beim Nachtdienst. Die war Usus, um dem erhöhten Kalziumbedarf gerecht zu werden. Mir geht es auch um eine Einführung von Leistungselementen, damit wir gut motivierte Beschäftigte haben.

Jeannée: Darum ist es mir in dem Brief an Sie gegangen: Der österreichische Beamte ist seit Karl Kraus ja im Visier der öffentlichen Meinung. Also hinein mit dem Rasenmäher! Das finde ich gut.

Bures: Dafür ist etwas mehr Diplomatie nötig.

Jeannée: Ja, gut. Aber warum hatte diese ORF-Sendung MA 2412 einen derartigen Erfolg? Weil es den Kern trifft. Jeder hat in diesem Land schon einmal mit der Beamtenschaft zu tun gehabt. Und das kann ein fürchterliches Erlebnis sein.

Bures: Es gibt aber auch wirklich viele, viele positive Erlebnisse. Etwa mit engagierten Lehrern oder Exekutivbeamten. Zur Reform: Die Regierung hat beschlossen, dass wir nur mehr jede zweite Pensionierung nachbesetzen. Das bedeutet bei rund 3000 Pensionierungen im Jahr, dass 1500 Posten nicht mehr nachbesetzt werden. Dazu bringt die Reform auch Umstrukturierungen mit sich.

STANDARD: Hinsichtlich der Schengen-Erweiterung 2008 sahen Sie etwa Umstrukturierungspotenzial bei den 3000 Sicherheitsbeamten an der Grenze. Der schwarze Innenminister und der rote Verteidigungsminister wollen nun den Assistenzeinsatz verlängern. Haben sich auch die Pläne für diese Polizisten geändert?

Bures: Keineswegs. Dazu halte ich ausdrücklich fest: Der Einsatz der 3000 Exekutivbeamten, die derzeit in Niederösterreich, im Burgenland und in der Steiermark an der Grenzsicherung beteiligt sind, wird mit der Erweiterung der Schengengrenze in den Osten nicht mehr in dem Ausmaß wie bisher notwendig sein. Es wird zwar an den neuralgischen Punkten an der grünen Grenze weiterhin Exekutivbeamte geben, aber wir haben zu wenig Polizisten in den Ballungszentren. Deswegen werden wir einen Teil auf den Straßen in den Städten brauchen, damit wir mehr Sicherheit gewährleisten können.

Jeannée: Schengen hin, Schengen her: Ich bin eher für eine Verstärkung als für eine Laissez-faire-Politik an der Grenze. Sonst gibt es da ein Problem.

Bures: Ich gehe ohnehin davon aus, dass es bis zum ersten Halbjahr 2008, bis nach der Fußball-EM, keine Veränderungen beim Grenzschutz gibt. Bei Großereignissen wie der EURO 2008 werden außerdem alle Schengengrenzen wieder geschlossen. Aber damit keine Missverständnisse aufkommen, weil es da vonseiten des Koalitionspartners den etwas unredlichen Versuch gab, das so darzustellen, als würde ich mich einmischen: Als Beamtenministerin mache ich mit der Regierung die Personalpläne. Und da haben wir gemeinsam entschieden, dass die Sicherheitsbeamten an der Grenze künftig dort eingesetzt werden, wo die Statistiken zeigen, dass die Kriminalität steigt: in Wien, in Linz, in Graz etwa. Für die Frage, wo wer einzusetzen ist, ist natürlich der Innenminister zuständig. Aber meine Aufgabe ist eben die Erarbeitung der Stellenpläne mit den Ressorts.

STANDARD: Ein Jahr nach der Regenbogenrevolution am Küniglberg: Wie sind Sie mit dem ORF zufrieden?

Jeannée: Gerade heute schreibe ich in der Krone den Küniglbergern einen Brief, wie hervorragend ihre Papstberichterstattung war! Aber sonst halte ich die Reform leider für völlig misslungen. Brutal gesagt: Alexander Wrabetz ist kein Journalist, da haben sie einen Kaufmann zum Generaldirektor gemacht, der keine Ahnung hat. Sich den Herrn Lorenz als Programmdirektor zu nehmen! Der glaubt, er sei ein Intellektueller. Diese Sendung Extrazimmer war ja so hochgestochen, das konnte doch nicht gut gehen.

Bures: Als Medienministerin kann ich mir nicht anmaßen, eine Programmbewertung vorzunehmen. Aber: Die Einschaltquoten sind halt der beste Gradmesser für den Erfolg – und die sind zurückgegangen. Ich glaube aber, dass die ORF-Führung absolut in der Lage ist, daraus die Schlussfolgerungen zu ziehen. Es ist ja noch ein bisschen Zeit, aber der ökonomische Druck ist da.

STANDARD: Wie erklären Sie sich eigentlich den Erfolg der „Krone“ in diesem Land?

Bures: Die Österreicher und Österreicherinnen haben sich sehr an die Krone gewöhnt. Sie kennen die Zeitung, sie kommt den Lesegewohnheiten hart arbeitender Menschen sehr entgegen: Da wissen sie, wo sie sich rasch über alles informieren können.

Jeannée: Der Erfinder der Kronen Zeitung, Hans Dichand, hatte und hat die Gabe, das Talent, das Genie, das Ohr am Volk zu haben. Wir wissen, was die Leute bewegt, was sie aufregt – und formulieren das Tag für Tag. Das ist eine journalistische Gottesgabe. So einfach ist das – und auch so kompliziert.

STANDARD: Und welche Zeitung schlagen Sie morgens stets zuerst auf?

Bures: Ich schlage jede Tageszeitung in der Früh auf – und zwar in der Reihenfolge, wie mir der Stapel vorgelegt wird.

Jeannée: Also Moment, Frau Minister! Ich war zwölf Jahre bei der deutschen Bild, die im Verhältnis zur Einwohnerzahl viel kleiner ist: Dem Kanzler Kohl war es seinerzeit völlig wurscht, wenn in der Süddeutschen oder in der Frankfurter Allgemeinen gestanden ist, dass er aussieht wie eine Birne. Stand es in der Bild, gab es eine Riesenaufregung. Darum behaupte ich: Was in der Früh relevant ist, ist natürlich das, was in der Krone steht.

Bures: (lacht) Einspruch! Es ist auch relevant, was dort steht. (DER STANDARD, Printausgabe, 12.9.2007)