Wien - Nach Papst Benedikt XVI. hat auch Kardinal Christoph Schönborn Bedenken zum Umgang mit der Abtreibung in Österreich geäußert. "Die jetzige Gesetzeslage ist für uns sicher nicht ein akzeptabler Status", kritisierte der Vorsitzende der Bischofskonferenz bei der ORF-Sendung "im Zentrum" am Sonntag die Fristenlösung. Stattdessen forderte er mehr staatliche Unterstützung etwa für Hilfsfonds. Denn: "Wir müssen damit leben, weil das demokratisch so entschieden ist.""Gesetzliche Lage verbessern"

Schönborn will die Worte Benedikts am ersten Tag dessen Österreich-Besuches in der Hofburg nicht als eine direkte Aufforderung sehen, Schwangerschaftsabbruch nicht mehr weiter zu tolerieren. Allerdings müsse man dabei bleiben: "Tötung ist Tötung, und Tötung ist immer ein Unrecht." 30 Jahre nach Einführung der Fristenlösung bestehe die Gefahr, dass das Unrechtsbewusstsein verloren gehe. "Es ist absolut wünschenswert und auch dringend notwendig, auch die gesetzliche Lage zu verbessern." Er erinnerte etwa an den von Kardinal Franz König ins Leben gerufenen Hilfsfonds: "Warum hat noch keine Regierung diesen Hilfsfonds verdoppelt?"

"Nichtfestlegung"

Auch abseits der Abtreibungsdebatte begann schon kurz nach dem Verlassen des Heiligen Vaters ein Wettlauf bei der Interpretation seiner Worte. Helmut Schüller, Mitinitiator der Pfarrerinitiative und Kritiker des derzeitigen Kirchenkurses, sieht nun viel Spielraum in den Worten Benedikts. "Ich war überrascht, dass er viele Themen nicht angesprochen hat." Diese "Nichtfestlegung" sieht der Seelsorger nun als Auftrag, bei diesen Themen weiterzuarbeiten. Genauso sieht es Schönborn, der ankündigte, dies ebenso zu tun - auf seine Art: "Ich nutze die Freiräume in eine andere Richtung."

"Großes Danke und Vergelt's Gott an Papst"

Beim Wiener Erzbischof Kardinal Christoph Schönborn, dem Gastgeber für Papst Benedikt XVI. während dessen Österreich-Visite in den vergangenen drei Tagen, überwiegt eindeutig ein tiefes Gefühl der Dankbarkeit. Dies sagte er unmittelbar nach dem Abflug des Kirchenoberhauptes am Wiener Flughafen am Sonntagabend vor Journalisten. "Österreich ist so ein winziger Teil der Weltkirche, und dennoch hat uns Papst Benedikt so viel Zeit, kostbare Gedanken und Zuneigung geschenkt."

Nach den intensiven Tagen der Visite gelte es nun, "in die Tiefe zu gehen und in Ruhe nachzudenken über das, was er uns gesagt hat", sagte der Kardinal, der betonte, dass der Papst sehr viel zu brennenden Fragen unserer aktuellen Gesellschaft gesagt habe. Damit widersprach er indirekt Kritikern, die eindeutigere kirchenpolitische Stellungnahmen des Papstes erwartet hatten.

"Schweigen ist oft beredter als Reden"

Der spirituelle Höhepunkt dieser Papst-Reise sei sicherlich die Jubiläumsveranstaltung in Mariazell gewesen, sagte Schönborn, als von besonderer historischer Bedeutung sei allerdings das stille Gedenken des Papstes am Wiener Judenplatz vor dem Holocaust-Mahnmal zu bewerten. Christentum und Judentum seien in Wien nicht nur geografisch, sondern stets auch historisch Nachbarn gewesen, meinte Schönborn unter Hinweis auf die beiden Veranstaltungsorte Am Hof und Judenplatz. Die Verbeugung des Heiligen Vaters vor den Opfern des Holocaust sei für alle Beteiligten ein bewegender Moment gewesen.

Auch der Grazer Bischof Egon Kapellari pflichtete bei und rechtfertigte das Fehlen einer Ansprache des Papstes am Judenplatz mit den Worten: Schweigen ist oft beredter als Reden.

Für Kardinal Schönborn als Menschen persönlich sei der Besuch des Papstes ebenfalls sehr berührend gewesen: "Es war eine ganz besondere Erfahrung für mich, meinen eigenen persönlichen Universitätslehrer in der für mich ganz realen Rolle als Nachfolger des Apostels Petrus zu sehen und seine Kraft zu spüren, die ihm dieses hohe Amt verleiht." (APA)