Die Diskutantinnen (v.l.n.r.): Gabriele Eschig, Generalsekretärin der Unesco Kommission Österreich; Karin Neuwirth, Institut für Rechtsgeschichte, Johannes-Kepler-Uni Linz; Moderatorin Margit Niederhuber, Expertin zur Beratung von Medien- und Kulturinitiativen; Manu Luksch, Produzentin, Künstlerin, beschäftigt sich mit technologischen Strukturen und deren Auswirkungen auf Identität, bezieht Medien per se in Arbeit ein; und Edith Kneifl, Krimiautorin und Psychoanalytikerin
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Linz - Medien haben eine wichtige Funktion: Die Veräußerung und Vermittlung von Realitäten einer dispersen Gesellschaft. Gemeinsame Nenner der Teilgesellschaften zu transportieren, ihre Unterschiede nicht zu vernachlässigen. Oftmals, wie bei Massenmedien, widersprechen die Strukturen der Apparate diesen Vorstellungen. De facto "verschlingen" sie auf Basis markttechnischer Überlegungen gemeinsamer Nenner, unterschiedliche Lebensrealitäten werden von Medienrealität großteils nicht berücksichtigt. So gesehen ist die Leistung der Massenmedien eine unzureichende. Aber es gibt das Internet mit undefiniertem Raum, der mit neuen Ideen befüllt werden und so Lücken füllen kann. Aber passiert das tatsächlich in einem befriedigenden Maße? Ist das Netz tatsächlich das Auffangbecken kultureller Vielfalt abseits der Massenmedien?

Protektionismus

Die "Unesco-Konvention zum Schutz und zur Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen" hat sich dieses Themenkreises bereits 2005 angenommen; am 18. März dieses Jahres ist sie, nachdem genügend Staaten sie ratifiziert hatten, in Kraft getreten. Mittels des Abkommens sollen die Unterzeichnerstaaten Legitimationsbasis und Rechtsmittel zur Verfügung haben, in Abstimmung mit der Menschenrechtscharta und den Prinzipien internationalen Rechts Minderheiten und kulturelle Mainstream-"Devianzen" national unterschiedlich zu fördern. Vorwürfe kamen prompt: Protektionistische Unternehmungen wurden im Abkommen ebenso ausgemacht wie Irrelevanz und Inkompetenz, die solchen Bemühungen zu Grunde lägen.

Wie also sieht es mit der Umsetzung der umstrittenen Ziele aus? Gender-, Rechts- und Medienexpertinnen haben darüber am Samstag im Rahmen der Unesco Lounge der Ars Electronica diskutiert. Gabriele Eschig, Generalsekretärin der Unesco Kommission Österreich, machte die Verdrängung kultureller Ausdrucksformen durch große Kulturindustrien am Beispiel Neuseelands klar: Die WTO gab einer US-Klage Recht, die gegen die staatliche Implementierung von Maori-Programmen im TV Einspruch erhoben hatte, nachdem Neuseeland den Rundfunk für den freien Markt geöffnet hatte. Die Verdrängung kultureller Ausdrucksformen durch große Kulturindustrien seien Gang und Gäbe - alles werde einem Markt unterworfen. Protektionismus, politische Einmischung werde nicht geduldet. Die Konvention stellt also die Stärkung von Demokratie und Gerechtigkeit sowie den Schutz einer vielfältigen Kulturproduktion vor dem Zugriff rein marktwirtschaftlicher Mechanismen in den Mittelpunkt. Die Konvention sei eine Methode, gegen den Handel mit Werten wie Kultur wenn nötig entgegenzuwirken, so Eschig.

Kontrollmechanismen

In diesem Zusammenhang spielt auch die Frage der Teilhabe weiblicher Kultur-/Kunstschaffender eine Rolle. Auch die Konvention verlangt dies. Aber: Wie kann eine derartige Forderung exerziert werden? Karin Neuwirth, ehemalige Vorsitzende des Arbeitskreises für Gleichbehandlungsfragen der JKU Linz, arbeitet seit Jahren zum Themenkreis Frauen- und Geschlechterforschung. Sie verwies auf den Gleichheitsgrundsatz und CEDAW, einer 1982 von Österreich ratifizierten UN-Konvention zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau, anhand derer Rechtfertigungs- und Umsetzungsdruck erzeugt werde. Der Einzelnen würde eine Legitimationsbasis zu Grunde gelegt, die sie aus dem Bereich des Privaten heraus Rechten zuführe. Allein das ist wertvoll. Außerdem meint ein Abkommen, dass Berichte erstellt und Protokolle geführt werden müssen und so Kontrollmechanismen in Gang gesetzt würden. Was mit enormem bürokratischem Aufwand einher ginge, aber letztlich zielführend sei.

Welche Mechanismen der Unesco dann letztlich konkret zur Verfügung stehen, läge in der Selbstverpflichtung der einzelnen politischen AkteurInnen, betonte Eschig wiederum. Also kommen normative Instrumente zur Wirkung, Erklärungsbedarf entsteht. Die Zivilgesellschaft sollte eine wichtigere Rolle dabei übernehmen, die von Staaten eingegangenen Verpflichtungen einfordern, weswegen die Ziele einer solchen Konvention stärker transportiert gehörten.

Wo ist die Gender-Vielfalt abgeblieben?

Margit Niederhuber, ihres Zeichens u.a. am Aufbau des Johanna-Dohnal-Archivs beteiligt, brachte weniger die Partizipation von Frauen in der Generierung von Medien-Content zur Sprache als ihre virtuelle Darstellung. Sie hätte den Eindruck, dass im Internet ein Backlash von konventionellen, klischeehaften Auftritten virtueller Frauenfiguren vorherrsche; etliche Präsentationen im Rahmen der heurigen Ars hätten diesen Eindruck bestärkt. Wo sei die Vielfalt der Ausdrucksmöglichkeiten in punkto Gender?
Neuwirth gab zu bedenken, dass neue Technologien das Denken nicht ändere und Vorurteile und Klischeevorstellungen nicht einfach wegfallen. Sie würden nur auf eine andere Ebene transformiert.

Manu Luksch, die mit ihrer Arbeit "Faceless" bei der diesjährigen Ars vertreten ist, sah die Sache nicht so pessimistisch: Zwar wären im Zuge der Kommerzialisierung des Internets auch verstärkt Klischees aufgekommen, dennoch würde es nach wie vor Raum zum Experimentieren bieten. Innovationen seien gut umzusetzen, weil das Internet die Möglichkeit eines niederschwelligen Zugangs und Vernetzung mit anderen biete.

Zur Beteiligung von Frauen an computerunterstützter Kommunikation wusste Edith Kneifl der Diskussion etwas beizusteuern. Aus ihrer Praxis als Psychoanalytikerin nämlich, nicht als Autorin, wobei sie sich in beiden Funktionen als VR-Skeptikerin outete.

Schöne, neue, langsame Welt

Zur Konvention gab es nach diesen Exkursen von Seiten der Unesco-Mitarbeiterin Eschig noch zu sagen, dass Konventionen als internationale Verträge naturgemäß langsam Wirkung zeigen würden; sie erwähnte die Konvention zur Nachhaltigkeit, die bereits in den 1978 beschlossen worden war, aber erst seit 2005 Umsetzung erfahre; auch die Ergebnisse der Weltfrauenkonferenz seien vielerorts noch nicht realisiert. Vielleicht, meinte Eschig, würde in punkto kultureller Vielfalt ein Anlassfall in Europa fehlen, vergleichbar mit dem zwischen USA und Neuseeland. Ein Eklat könnte die Sache beschleunigen. Mitunter beträgt die Reaktionszeit aber dennoch dreißig Jahre. ( die Standard.at/bto/10. September 2007)