Dreck in der Raab: Nach dem neuen Umwelthaftungsgesetz könnte der Urheber der Katastrophe nicht zur Verantwortung gezogen werden.

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Wien - Was als Verschärfung der Umwelthaftung gedacht war, verkehrt sich nach Ansicht namhafter Experten ins Gegenteil: Um ein "Umwelt-Nichthaftungsgesetz" handle es sich, um einen "totalen Rückschritt für den Umweltschutz"; das Ministerbüro Josef Prölls habe "sich über den Tisch ziehen lassen", meinen die beiden Umweltrechtler Bernhard Raschauer von der Universität Wien und Ferdinand Kerschner von der Uni Linz über die Regierungsvorlage zum Umwelthaftungsgesetz.

Im Februar erblickte noch ein vielfach als "ambitioniert" bezeichneter Gesetzesentwurf zur Bundes-Umwelthaftung nach jahrelangem Hin und Her das Licht der Welt. Ein Betrieb, der "wesentliche" Schäden an Wasser, Boden oder Biodiversität verursacht, müsse in jedem Fall für die Sanierung zahlen, hieß es hier. Doch dann verhandelten Wirtschaftsvertreter bzw. das Wirtschaftsministerium mit dem Umweltministerium. Wie es die Wirtschaftskammer in einer internen, nach außen gesickerten E-Mail ausdrückte, gelang es dabei, "die wichtigsten Anliegen" durchzusetzen.

Elf "Verbesserungen" wurden in der E-Mail aufgelistet, wobei vor allem drei davon besonders umstritten sind: Demnach muss der Betreiber die Sanierungskosten nicht zahlen, wenn

  • die zum Schaden führenden Emissionen oder Tätigkeiten von einer Genehmigung gedeckt sind;

  • das schädigende Ereignis nach dem Stand der Wissenschaft und Technik nicht als wahrscheinlich für einen Schadenseintritt angesehen worden ist;

  • der Schaden durch einen Dritten verursacht worden ist und der Betreiber geeignete Sicherheitsvorkehrungen getroffen hat.

    Damit entstünde de facto totes Recht, bei dem immer der Steuerzahler zahle, kritisiert Raschauer, der am ursprünglichen Entwurf mitarbeitete. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein Konzern à la OMV je zur Kasse gebeten wird. Mit diesen drei Klauseln wurde alles auf den Kopf gestellt."

    Am Beispiel der aktuellen Gewässerverschmutzung der Raab würden die Auswirkungen dieser Regelungen deutlich, ergänzt sein Kollege Kerschner: "Wenn die Einleitung genehmigt und das Entwicklungsrisiko verwirklicht war, müsste laut diesem Umwelthaftungsgesetz der Steuerzahler zahlen. Laut geltendem Wasserrechtsgesetz wäre dies der Betrieb." Welche Regelung dann tatsächlich gelte, ist laut Raschauer unklar. Auf jeden Fall sei traditionelles, ausjudiziertes Recht in Gefahr.

    Wie in Deutschland?

    Wirtschaftskammer-Referentin Elisabeth Furherr versteht die Aufregung nicht: Der Betreiber müsse alle Auflagen einhalten und nachweisen, dass keine Fahrlässigkeit zum Schaden geführt habe. "Das ist das Gegenteil einer Verschmutzungserlaubnis."

    Außerdem enthalte die deutsche Umsetzung der EU-Richtlinie die Normalbetriebseinrede ebenfalls. "Stimmt nicht. Im deutschen Umweltschadensgesetz ist die Normalbetriebseinrede nicht drinnen", entgegnet Christoph Palme vom Institut für Naturschutzrecht im deutschen Tübingen. Auch sei ihm noch kein Bundesland bekannt, das diese Option genutzt habe.

    Die SPÖ will unbedingt die strittigen Punkte aus der Regierungsvorlage wieder streichen, wie deren Umweltsprecherin Petra Bayr betont. Eine "recht sonderbare Situation" sei entstanden, gibt sich hingegen ÖVP-Umweltsprecher und Wirtschaftsbund-Generalsekretär Karlheinz Kopf verwundert. Normalerweise werde - auch, wenn es abweichende Wünsche gebe - die vom Ministerrat beschlossene Regierungsvorlage im Parlament mit Regierungsmehrheit beschlossen.

    Vertreter von Nichtregierungsorganisationen befürchten einmal mehr, dass sich ein altbekanntes Spiel wiederholen könnte: "Zuerst schiebt man ein Gesetz auf die lange Bank, versucht den Widerstand totlaufen zu lassen, um es letztendlich trotzdem durchzubringen", erklärt beispielsweise Jens Karg von Global 2000. (Klaus Faißner, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 8./9.9.2007)