Elisabéth List, Professorin am Institut für Philosophie an der Karl-Franzens-Universität.

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"Es gibt kein anderes Kriterium für Qualität mehr, als sich gegenüber anderen zu behaupten". Elisabéth List, Professorin am Institut für Philosophie an der Karl-Franzens-Universität, versteht die Popularität von Hochschulrankings auch als Teil der "zunehmenden Ökonomisierung" der Hochschulen. In diesem Zusammenhang kritisiert sie auch die MitarbeiterInnen der Universitäten selbst, die sich nicht wehren: "Man ist diesem Staat, der einen genährt und gefördert hat, dankbar". Die Evaluation von wissenschaftlichen Leistungen erachtet List als "nicht unbedeutend". Dass diese Standards der Evaluation aber von Außen kommen "ist ein Alarmzeichen", so List zu derStandard.at. Das Gespräch führte Katrin Burgstaller.

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derStandard.at: Viele Hochschulrankings messen Universitäten nach quantitativen, teilweise auch betriebswirtschaftlichen Kriterien. Widerspricht das der humboldtschen Vorstellung von der Universität?

List: Es handelt sich nicht um einen Widerspruch, sondern um eine Entwicklung, die weltweit die Situation der Hochschulen betrifft. Öffentliche Institutionen geraten zunehmend in Schwierigkeiten. Denn alle Staaten sind im Standortwettbewerb unter einen unglaublichen Druck geraten. Der Staat, der sich mit dem Recht auf Bildung identifiziert, verfügt nicht mehr über die Mittel, dieses Recht zu finanzieren. Deshalb hat man angefangen, auch die Bildungsinstitutionen knapp zu berechnen. Um die Verknappung der Mittel zu rechtfertigen, muss man Vergleichskriterien finden. Da hat man eben betriebswirtschaftliche Größen herangezogen. Es ist einfach die Macht der Ökonomie, die der Bildung einen eher sekundären Stellenwert in der gesamtstaatlichen Kalkulation zuschreibt.

Ich persönlich befinde mich im Widerspruch zu dieser Politik, mit der wir konfrontiert sind. Die Universitätsmenschen, und davon kann ich mich nicht ausnehmen, lassen diese radikale Verwirtschaftlichung der Hochschulen über sich ergehen.

derStandard.at: Warum lassen die Unis das über sich ergehen?

List: Weil die Universitätsangehörigen gute Staatsbürger und gute Untertanen sind. Das ist die österreichische Mentalität. Man ist diesem Staat, der einen genährt und gefördert hat, dankbar. Man akzeptiert die Entscheidungen, die getroffen werden. Auch wenn diese Entscheidungen Folgen haben, die man eigentlich als Intellektuelle nicht verantworten kann.

derStandard.at: Inwiefern widerspricht diese Entwicklung Ihrer Tätigkeit als Mitarbeiterin der Universität? Können Sie das konkretisieren?

List: Diese Entwicklung widerspricht meinen Vorstellungen vom Sinn der universitären Institutionen. Altmodisch gesagt besteht der Sinn der Universitäten in Forschung und Lehre. Ich bin dafür verantwortlich, dass ich in meinem Fach das höchstmögliche Niveau an Wissen erwerbe und dieses Wissen auf höchstmöglichem Niveau an die Studierenden weitergebe.

derStandard.at: Ökonomisierung der Bildung, Universitäten als Unternehmen deren Kunden die StudentInnen sind. Diese Schlagworte sind in aktuellen Debatten sehr oft zu hören. Stimmt Sie das pessimistisch?

List: Es ist nur zu hoffen, dass der Kern des Personals sich von seinen Zielsetzungen dadurch nicht abbringen lässt. Ich hoffe, dass die Universität diese ökonomische Deformation überlebt. Den Studenten von heute ist klarer, dass sie ein Studium absolvieren sollen, das ihnen einen Platz im Erwerbsleben eröffnet. Wir denken heute mehr an die rein materiellen Fragen des ökonomischen Überlebens.

derStandard.at: Ist es Ihnen nicht mehr möglich, im Rahmen Ihrer Freiräume, die Sie als Lehrende der Universität haben, Ihre Ideale zu verfolgen?

List: Das ist in einzelnen Fächern unterschiedlich. Ich bin Philosophin, die Philosophie ist kein Massenfach. Wir haben zwar aufgrund der Personalentwicklung am Institut eine doppelt so große Belastung pro MitarbeiterIn. Bis jetzt muss ich noch keine Abstriche machen. Die Vermassung der Diplomstudien nehme ich jedoch als einen sehr schmerzhaften Abstrich wahr. Die Leute müssen in einer bestimmten Zeit fertig sein, es genügt, wenn sie eine Diplomarbeit im Umfang von 80 Seiten abgeben. Wenn ein Professor neben seiner Arbeit 20 bis 30 solche Arbeiten begutachten muss, dann wird es problematisch.

Mein Ideal von der akademischen Lehre ist, dass ich die Studierenden in ihrem Arbeitsprozess begleite. Jeder Student der bei mir eine Arbeit schreibt, sitzt bei mir im Privatissimum. Das wird in Zukunft nicht mehr gehen. Die Leute werden die Arbeiten abgeben, irgendjemand wird sie beurteilen und fertig. Es wird Diplome geben, die im Grunde ihren Wert verloren haben. Das finde ich schlimm.

derStandard.at: Kommen wir noch einmal zurück zum Thema Rankings. Professor Bodo Zeuner hat im Juli 2007 an der Freien Universität Berlin seine Abschiedsvorlesung gehalten. Darin hat er das Centrum für Hochschulentwicklung "ein privates – und Privatinteressen eines Konzerns förderndes – Über-Wissenschaftsministerium" bezeichnet. Da stellt sich die Frage: Welche Institutionen sollen die Evaluationen vornehmen?

List: Das ist ein ganz entscheidender Punkt. Dass es von den Universitäten als selbstverständlich akzeptiert wird, dass diese Standards der Evaluation von Außen kommen, ist ein Alarmzeichen. Diese Standards haben mit dem, was inhaltlich an der Hochschule passiert eigentlich nichts zu mehr tun.

Es ist außerdem interessant, dass es für das Wort Ranking kein deutsches Wort gibt. Ranking heißt, sich auf eine Bewertungsliste einzutragen oder sich einzukämpfen. Die Rede vom Ranking alleine bringt die Wissenschaft von den Dingen, die sie eigentlich beschäftigt, ab.

derStandard.at: Sie sind seit 30 Jahren in der Wissenschaft tätig. Wann fand diese Umkehr hin zur Ökonomisierung der Universitäten statt?

List : Das war Ende der 90er Jahre. In Österreich ist es ganz eindeutig so, dass vom Wissenschaftsministerium unter der ÖVP von der damals zuständigen Ministerin das Schlagwort der "Weltklasseuniversität" geprägt wurde. Das war doch nur ein flapsiger Ausdruck dafür, dass von der österreichischen Wissenschaftspolitik die Devise ausgerufen wurde, dass sich die Universitäten den Wettbewerb stellen müssen. Es gibt kein anderes Kriterium für Qualität mehr, als sich gegenüber anderen zu behaupten. (Katrin Burgstaller/derStandard.at, 31. August 2007)