"Die Vorstellung, dass es keinen Protest mehr gibt, ist falsch. Genauso die Vorstellung von Post-Feminismus", so Abigail Solomon-Godeau.
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Kerstin Kellermann: Wie denken Sie über das momentane Revival des Feminismus?

Abigail Solomon-Godeau: Ich denke nicht, dass es ein Revival gibt. Im politischen Sinne, im Sinne des politischen Kampfes war der Feminismus nie weg, er hat uns nie verlassen. Die Auffassung, es gebe ein Revival, ist Nonsens.

Kerstin Kellermann: Ein Revival ohne politische Statements vielleicht? So hat Renée Green das 1970er Jahre-Revival genannt. Green hatte in der Wiener Sezession eine sehr kritische Ausstellung über die 1970er Jahre und ihr harmoniesüchtiges Revival – voll orangener Plastikmöbel und Fotos von berühmten Leuten aus der Black Power Bewegung.

Solomon-Godeau: Renée Green hatte Recht. Es ging ihr um die Differenz zwischen Black Power, einer revolutionären Einstellung, und den Medien. Wie diese Zeit in den Medien dargestellt wird, stimmt nicht zwingend mit den realen Geschehnissen in der Welt damals überein. Es ging ihr um leere Verpackungen, um Mode, um Ideologie ... Aber der Kampf der Schwarzen hat nie aufgehört, so wie postkoloniale Kämpfe und auch der Kampf der Frauen nicht aufgehört haben. Für mich ist interessant, wie Formen des politischen Kampfes verschiedene Varianten von Aktivismus und Allianzenbildung und unterschiedliche Strategien verwenden. Als die USA in den Irak einmarschiert sind, gab es die größten Antikriegsdemonstrationen in jeder Stadt auf der ganzen Welt. Hat das irgendeinen Unterschied gebracht? Nein. Das legt nahe, dass diese riesigen Demonstrationen nicht die politischen Entscheidungen beeinflussen. Aus diesem Grunde muss man fragen: Was bringt was?

Kerstin Kellermann: Meinen Sie nicht, dass junge Frauen glauben, dass sie den Feminismus ihrer Mütter nicht mehr brauchen?

Solomon-Godeau: Diese Generation ist, zumindest in meinem Land, in den 1980ern unter einer sehr konservativen Regierung und in einem historischen Moment des Backlashes geboren. Sie ängstigen sich alle sehr, über alles, von ihren beruflichen Möglichkeiten zu den Varianten, in denen Feminismus in den Medien dämonisiert wurde. Ich sage ja, die glauben, den Feminismus nicht mehr zu brauchen, aber es gibt einen Grund. Die Generation meiner Studentinnen ist extrem konservativ.

Solomon-Godeaus Einschätzung über "kollektive Lösungen" und "individuelles Empowerment", sowie über die "schwierige Frage" des Einbindens von religiösen Fragen in feministische Debatten können Sie in den neuen an.schlägen 9/07 nachlesen. (red)