Helmut Schüller (55) war ab 1991 Caritas-Chef, später Generalvikar in Wien. Von 1996 bis 2005 leitete er die Ombudsstelle der Erzdiözese Wien für Opfer sexuellen Missbrauchs in der Kirche. Heute ist er Studentenseelsorger und Pfarrer in Propstdorf.

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Drei-Tages-Hype oder ein Treffen mit Tiefgang? Mit offenen Armen wird Benedikt XVI. in Österreich auf jeden Fall empfangen werden.

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STANDARD: Was haben sie am zweiten Wochenende im September vor?

Schüller: Ich werde am Samstag, dem 8. September, mit einigen Leuten aus meiner Pfarre beim Papst in Mariazell sein.

STANDARD: Was verwundert. Waren sie bis vor kurzem nicht der Ansicht, dass es sich bei dem Besuch um einen "Papst-Hype ohne Nachhaltigkeit" handle?

Schüller: Na hören sie, wenn der Bischof von Rom in die Ortskirche kommt, dann gehören wir dort hin. Es ist lustig, dass da so Bilder existieren, dass ich an diesen Tagen weit weg bin oder auf Urlaub fahre.

STANDARD: Ist der scharfe Kirchenkritiker in Ihnen zahm geworden?

Schüller: Ganz im Gegenteil. Aber ich bin ja nicht aus der Kirche ausgetreten. Es wäre ja ziemlich kindisch, sich in eine Ecke zu stellen und zu sagen, nur weil der Papst nicht mag was wir wollen gehen wir nicht hin. Aber man muss immer weiter hinaus denken.

STANDARD: Was erwarten sie jetzt konkret vom Papst-Besuch in Österreich?

Schüller: In den großen Fragen der Zukunft der Kirche erwarte ich mir nichts. Da stimmt schon alleine die Form nicht, da es ja zu keinem direkten Dialog mit jenen, die sorgenvoll in die Kirchen-Zukunft blicken, kommen wird. Für viele wird es aber sicher eine Bestärkung im Glauben sein.

STANDARD: Welche Spuren wird Benedikt XVI. in Österreich hinterlassen?

Schüller: Solche Events sind prinzipiell nicht dazu geeignet, längerfristig etwas in Bewegung zu setzten. Vieles wird bestätigt werden, was bisher schon gegolten hat und viele Fragen wird man ganz bewusst aussparen.

STANDARD: Gerne werden von Ihnen die Probleme an der Kirchenbasis thematisiert. Wo hackt es da genau?

Schüller: Es steht die Existenz überschaubarer Pfarrgemeinden auf dem Spiel und das der Pfarrermangel die wesentliche Ursache dafür ist. Und wenn der zölibatäre Weg weiter der Einzige bleibt, wird sich da nichts ändern. Man muss sich immer dessen bewusst sein, dass die Pfarren nicht ein Stückerl Infrastruktur sind - sie sind der Alltagsort, an dem Kirche gelebt wird.

STANDARD:Den großen Worten rund um Ihre Pfarrerinitiative folgten bis dato kaum Taten. Arbeitet man undercover, oder ist der Protest eingeschlafen?

Schüller: Wir lassen uns von niemanden ins Boxhorn jagen und in Panik versetzen. Was sollen wir tun? Von einem Luftballon Flugblätter abwerfen? Nein, für solche pubertären Aktionen sind wir zu selbstbewusst. Wir wachsen langsam aber stetig. Wir sind keine kleinen Kinder, die Christkindl-Briefe schreiben und dann ganz traurig sind, dass der Heilige Vater nicht antwortet.

STANDARD: Ihre persönliche Bilanz nach rund zwei Jahren Benedikt XVI.?

Schüller: Ich hab von Anfang an das geahnt und geäußert, was jetzt gekommen ist. Dieser Papst ist von den Kardinälen genau dafür gewählt worden, was er jetzt macht. Bereits bei seiner Rede im Konklave hat er seine Analyse vorgelegt, etwa dass es zu viel Relativismus gibt und wieder die alten, klaren Bastionen errichtet werden müssen. Das haben die Kardinäle immer erhofft und genauso passiert es jetzt auch. Ich war eher überrascht, dass so viele tatsächlich geglaubt haben, da kommen jetzt weiß Gott die großen Veränderungen und Reformen. Jetzt heißt es aufwachen und laut, deutlich und mit entsprechendem Gewicht Gegenrede zu halten. (Markus Rohrhofer/DER STANDARD; Printausgabe, 25./26.8.2007)