Die Post will bis Ende 2009 ein Zehntel der Mitarbeiter in der Zustellung streichen. Denn der Wettbewerb am Markt verschärft sich.

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Wien - "Wir hören seit Jahren, dass wir zu viele sind. Keiner weiß, wackelt der eigene Arbeitsplatz oder der des Kollegen. Labil darf man in unserem Job nicht sein." Frau Elisabeth arbeitet seit 20 Jahren in einer kleinen Gemeinde im Mürztal bei der Post. Der Plan des Konzerns, bis Ende 2009 ein Zehntel der Briefträger abzubauen, drücke die Stimmung in ihrer Postfiliale auf den Tiefpunkt, sagt sie. Die Arbeit werde seit Jahren mehr, der Großteil der Überstunden sei unbezahlt. "Und krank werden - das traut sich eh keiner mehr." Das Bild des Postlers, der gemütlich beim Wirten auf ein Bier einkehrt, sei Vergangenheit. An die Hilfe der Gewerkschaft glaubt die 48-Jährige Steirerin nicht. Die sehe auf dem Land ohnehin nur sehr selten nach dem Rechten.

Ihre Wiener Kollegen schlagen in dieselbe Kerbe. "Jeder hat Angst um seinen Job. Der Druck auf uns steigt", erzählt ein Briefträger auf seinem Weg durch die Innenstadt. Was ihn ärgere, sei, dass die Post ihre eigenen Leute abbaue und stattdessen private Paketlogistiker anheuere. "Die sind eben billiger, auch wenn sich über die Qualität streiten lässt."

Dass der deutsche Versender Hermes der Post zusetze, ließe sich nicht leugnen, fügt er hinzu. "Es fehlen uns die Pakete, das macht viele nervös."

Hermes will ein Fünftel

Die Post lieferte in Österreich bisher 95 Prozent der Pakete. Ein Fünftel des Marktes will sich jetzt der deutsche Versandhändler Otto über seine Tochter Hermes sichern.

"2009 fällt auch das Briefmonopol. Ich habe nicht den Eindruck, dass wir uns dagegen wappnen. Vielmehr wird abgebaut und abgebaut." Herr Paul ist seit 25 Jahren Briefträger. Die Stimmung im Betrieb werde immer schlechter, sagt er. Schon jetzt arbeite die Post an der Kapazitätsgrenze, die Qualität leide. "Ab Herbst arbeite ich wieder zehn Stunden täglich." Überstunden ausbezahlt zu bekommen sei jedes Mal ein Kampf. Er hilft noch rasch einem Touristen, die richtige Straße zu finden, weg ist er.

Gute Nachricht für die Konkurrenz

Sich mit dem vollen Namen nennen zu lassen wagt keiner. Ein Mitarbeiter einer Postfiliale verweist auf den Shopleiter, und dieser wimmelt unwirsch ab. Für ein Statement sei es zu früh. Auf dem Wiener Graben tummeln sich derweil Lieferwagen internationaler Logistiker. Dass die Post bis zu 1500 Briefträger loswerden will, sei eine gute Nachricht, meint ein Mitarbeiter von der britischen GLS mit ernster Miene. "Ich hoffe dadurch auf mehr Arbeit." Die Post habe im vergangenen halben Jahr die Preise stark gedrückt, viele Zusteller hätten Kunden verloren.

Dass etliche private Dienstleister laut Postlern Abstriche bei der Qualität machen, löst bei einem jungen Fahrer der DPD empörtes Kopfschütteln aus. "Wir sind schnell und machen gute Geschäfte."

"Schlechte Qualität? So ein Blödsinn." Eine rüstige TNT-Zustellerin hebt schwungvoll Pakete aus ihrem Wagen. "Ich verstehe die Probleme der Post nicht, die Privaten machen ein Umsatzplus nach dem anderen." Ob sie der massive Jobabbau bei der Post überrascht? "Wollen Sie eine ehrliche Antwort? Das ist mir wurscht."

Mehr Verzögerungen

Passanten in der Wiener Innenstadt zeigen sich mit den Briefträgern schon etwas solidarischer. "Die Leute müssen in immer kürzerer Zeit immer mehr leisten", sagt Gerti Seiser. Sie ist sich sicher, dass es bei der Zustellung zu mehr Verzögerungen kommen wird. Maria Steiner, die gerade auf dem Weg zur Arbeit ist, befürchtet, dass zukünftig noch weniger Post direkt in ihrer Wohnung landet. "Wenn die Briefträger weniger Zeit haben, gibt es noch mehr Zettel im Briefkasten, und die Hauszustellung klappt überhaupt nicht mehr." Eine Passantin pflichtet ihr im Vorbeigehen bei, dass die Zustellung schon jetzt nicht 100-prozentig funktioniere. "Vor allem am Land haben sie ja so viele Postämter geschlossen."

Zwei junge Briefträger kommentieren das Sparpaket deftiger. "Die Gewerkschaft sagt, sie unternimmt was", fügt der eine versöhnlich hinzu. "Geh, die Gewerkschaft", winkt der andere ab. Einig sind sie sich, dass mehr Effizienz bei der Zustellung unmöglich sei. "Das fordern Leute, die noch nie unsere Arbeit gemacht haben." (Verena Kainrath Sylvia Kuba, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 24.8.2007)