Fernsehen im Jahr zwei, der Ära Wrabetz: vier Teile "Zodiak - Der Horoskopmörder" mit Alexandra Neldel und Hans Sigl, zu sehen ab 3. September. Der ORF spricht vom "TV-Ereignis", Regisseurin Andrea Maria Dusl von "Dilettanten".

Die Mehrheit der österreichischen Filmschaffenden ist auf Alexander Wrabetz gar nicht gut zu sprechen. Ein Jahr nach den ORF-Wahlen hat sich für die meisten Regisseure an der Auftragslage nach eigenen Aussagen so gut wie nichts geändert: Einige wenige freuen sich über Dauerbuchungen durch den Küniglberg, die meisten sehen sich unbeachtet wie eh und je. Von den 800 Millionen Euro Jahreseinnahmen pumpt der ORF rund zehn Prozent in Filmförderungsaktivitäten. Zu wenig und in die falschen Projekte, wie viele meinen. der Standard bat Regisseure und Kinoexperten um Statements: Wie sie die Filmszene am Beginn des zweiten Jahres der Ära Wrabetz sehen, was sich für sie persönlich verändert hat und welche Wünsche sie an den ORF als größten Auftraggeber für Film- und Fernsehproduktionen im Land haben.

Filmemacherin Andrea Maria Dusl ("Blue Moon") arbeitet an zwei Kinoprojekten "Deutschland" und "Crazy Day":

"Ich mag die ORFler aufrichtig. Intelligente Menschen, gebildet, aufgeklärt. Man kann mit ihnen über Wong Kar Wai reden und über Stroheim, über Larry David und über Karl Kraus. Und über das Eigene sowieso. Aber nur außerhalb des Küniglbergs. Was ist es, das aus intellektuellen Kollaborateuren (...) böswillige Dilettanten macht, sobald sie es sich in ihren tiefplafonierten Büros gemütlich gemacht haben? Der Fluch der Gräber unter dem Fernsehzentrum? Sie sind intelligente Zeitgenossen, ganz auf meiner Linie. Aber ich hasse ihr Programm. In aller Liebe. Es ist grottenschlecht. Dass es vorher noch übler war, gilt nicht. Unlängst sind drei alte Herren gestorben. Ingmar Bergman und Michelangelo Antonioni. Und Franz Antel. Wie geht der ORF damit um? Ein Film pro Titan, neun für den Krautfleischkoch. In eigener Sache habe ich den Heimatfunk nie abschreiben müssen. Ich war nämlich nie angeschrieben. Ich mag sie trotzdem. Sie tun, was sie können."

Die Filmregisseurin Ruth Mader war 2003 bereits mit ihrem ersten Spielfilm „Struggle“ in Cannes:

Auch unter Wrabetz wurde die Bedeutung von Film nicht begriffen. Der ORF gibt nicht einmal ein Prozent seiner Jahreseinnahmen für die österreichische Kinoproduktion aus. Eine kulturpolitische Bankrotterklärung. Die Hälfte der ORF-Einnahmen, rund 400 Millionen Euro, verbraucht man hingegen für Personal und Gehälter. TV-Programm des ORF, etwa Serien und TV-Movies, wird über österreichische Regionalförderungen sowie den RTR mit Subventionen mitfinanziert – der Steuerzahler zahlt also doppelt für das ORF- Programm: über die Gebühren und zusätzlich über Steuergelder.

Die Performances des GI und dessen Programmdirektor lassen sich jeden Tag sehen. Der ORF mutiert zu einem Abpielkanal unzähliger Wiederholungen weitgehend ohne öffentlich-rechtliche Identität und kombiniert sie mit wirtschaftlicher Erfolglosigkeit.

Wolfgang Murnberger ("Silentium") dreht im Moment mit Wolfgang Böck den ORF-Film "Der schwarze Löwe":

"Ich kann das nur ganz aus meiner persönlichen Sicht beantworten, da ich "filmpolitisch" in der Einschicht lebe! Ich habe seither für ein Spielfilmprojekt "Der Knochenmann" Produktion: DOR-FILM, vom ORF, über das Filmfernsehabkommen eine Förderung zur Herstellung dieses Kinofilmes bekommen und drehe gerade für den ORF als alleinigen Auftraggeber mit der DOR-FILM, einen 90min.TV-Spielfilm "Der schwarze Löwe", Drehbuch Rupert Henning, Uli Bree, der zur Fußballeuropameisterschaft ausgestrahlt werden soll.

Ich habe Herrn Wrabetz bei einem zufälligen Treffen auf die TV-Spielfilm Situation angesprochen und ihm empfohlen auf den Österreichischen TV-Spielfilm zu setzen, da dieser noch immer zu den nachhaltigsten Programmen zählen. Ich glaube, es wurden früher mehr TV-Spielfilme gedreht. Ich drehe seit dem Jahr 2000, mindestens einen, manchmal auch zwei 90min. TV-Filme im Jahr, (oder vier Folgen einer Serie) Für mich hat sich nichts verschlechtert! Als Regisseur fällt mir auf, dass die Budgets für die TV-FIlme eher gleich bleiben und versucht wird Drehtage einzusparen, und, das ist aber auch international so, dass die Fernsehredaktionen immer intensiver in die Besetzung der Filme eingebunden werden wollen. Ich wünsche mir vom ORF mehr gute 90min-TV-Spielfilme, mit österreichischen Geschichten. Ich möchte noch einmal als Regisseur so eine Hochblüte des österreichischen TV-Spielfilmes erleben wie, ich es als Zuschauer und Filmstudent in den siebziger Jahren erleben durfte."

Regisseur Harald Sicheritz ("Hinterholz 8") schneidet gerade "Darum" von STANDARD-Autor Daniel Glattauer:

Ich freue mich an den internationalen Erfolgen österreichischer Filme. Ich sorge mich gleichzeitig wegen der schlechten Imagewerte, welche die Trademark "österreichischer Film" beim Gros seiner Finanziers (nämlich bei den Steuerzahlern) einfährt. Das ist weniger schade als gefährlich für diese Kunst. Ich warne seit Jahren davor, das heimische Kinopublikum weitgehend kampflos dem amerikanischen und deutschen Kulturimperialismus zu überlassen. Unsere nationale Fernsehanstalt geht hier seit Jahren mit schlechtestem Beispiel voran - in der Ära Wrabetz hat sich daran leider nichts verändert. Aber auch ohne Zahlen zu kennen, weiß ich, dass - nach wie vor - diese Aufgabe nicht genügend wahrgenommen wird. Was sagen Sie z.B. zu einem öffentlich-rechtlichen Sender, der nicht einmal regelmäßig über das Filmschaffen seines Landes berichtet? Und dieses mangelhaft bewirbt, obwohl er es mitfinanzieren muss?

Ich habe vor geraumer Zeit ein Schreiben mit durchaus dringenden Fragen zu meinen - teilweise in Produktion befindlichen - TV-Projekten sowohl an den General- als auch an den Programmdirektor gerichtet. Ich warte bis heute auf Antwort.

Ich wünsche mir, dass der ORF endlich mutig in die neuen Zeiten geht - seine Selbstdarstellung verdient die Haltungsnote "miserabel". Kreative Ansinnen werden mit der mäßig originellen Antwort "Kein Geld" abgeschmettert, ohne dass das mächtigste Meinungsbildungsinstrument des Landes sich selbst dazu verwendet, dem Publikum zu erklären, dass Identität nun mal Geld kostet. Der ORF verrät ja seinen Gebührenzahlern nicht einmal, dass ihm der Staat von diesen Einnahmen ein gutes Drittel widmungsfremd wegnimmt. Vollends unerträglich ist das interne Verrechnungssystem. Niemand versteht diesen Wahnsinn, daher nur eine Illustration: in den Archiven liegen fertige, noch nicht gesendete Filme meiner Kolleginnen, Kollegen und mir. Warum? Weil der ORF sich selbst große Summen aus dem aktuellen Budget abbuchen müsste, um Filme, deren Produktion er schon bezahlt hat, auch ausstrahlen zu dürfen. Deshalb kauft er lieber irgendwelche Massenware und versendet sie. Das ist - im wahrsten Wortsinn - billiger."

Robert Buchschwenter moderiert im Wiener Community-Sender Okto das wöchentliche Filmmagazin "Oktoskop":

"Deutliche Spuren hat die Reform in der österreichischen Filmlandschaft bislang kaum hinterlassen. Am ehesten spürbar gemacht hat sie sich in der Nachwuchsszene, wo zunächst mit einiger Zuversicht neu eröffnete Spielwiesen betreten wurde - und man schließlich ernüchtert feststellen musste, dass die Spielräume eng wie eh und je geblieben sind."

Robert Novotny ist Filmproduzent, Jakob M. Erwa und Thomas Reider drehen mit ihm die fünfteilige ORF-Serie "Tschuschenpower":

"Unter Begleitung der den Konservativen eigenen Heimtücke, die ihren Kummer über die verlorenen Bastionen gegen das "rote Gesindel" kompensieren mussten, war als Reaktion auf die "Wende" im ORF kaum Anderes zu erwarten, als die Denunziation nahezu aller Programmkonzepte der neuen Mannschaft. Die gesteuerte Entblödung fokussierte auf eine, allerdings aus der Planungsarbeit der “alten” Führung stammende, Sendung, grad so, als würde das Bestehen des ORF allein von einigen Minuten Laufbild abhängen. Der dahinter liegende Groll und die politischen Absichten der, des Interventionstelefons verlustig gegangenen, Abgewählten wurde sohin geschickt vernebelt.

Die Transformierung der Lercherlschas-Diskussion (über einzelne ORF- Sendungen) in einen kulturpolitischen Diskurs wäre zu begrüßen. Etwa zum Zweck, die Wertschöpfung im Inland zu erhöhen und den Kapitalabfluss aus Österreich – zu den Shareholdern der Privatsender – hintan zu halten und in der Folge die Produktion bewegter Bilder in Österreich nachhaltig zu begünstigen. Mittel der Wahl wäre (Wunsch!) u.a. eine „Content-Abgabe“, die aus der Verbreitung audiovisueller Inhalte minimale zweckgebundene Abgaben generiert.

Solches wäre nicht Kommunismus - sondern Patriotismus.

D.h.: deutliche Erfüllung des öffentlich rechtlichen Status des ORF, der allein durch unverwechselbare Sendungsformen und innerösterreichische Wertschöpfung gesichert werden kann. Privatsender investieren kaum oder nur marginal in Österreich, schöpfen aber erhebliche Werbegelder ab, die dem öffentlich rechtlichen Sender schmerzlich fehlen. Der ORF als Hauptauftraggeber der österreichischen Filmwirtschaft sieht sich so erhöhtem wirtschaftlichen Konkurrenzdruck ausgesetzt, auf den er mit Einsparungen in seinem Programm zu Ungunsten heimischer Produzenten reagiert und komplette Abende in der Prime-Time mit nicht-europäischer Kaufware programmiert.

Nun mag es sich ein Land leisten, von einer herrschenden englischsprachigen Weltkultur und angelsächsisch puritanischen Mythen überrannt zu werden – die von den Privaten vertrieben werden - es bezahlt aber neben dem hohen Preis der Aufgabe seiner Identität mit dem Verlust seiner Geschichte und gibt widerstandslos wirtschaftlich nutzbare Ressourcen auf." (Doris Priesching/DER STANDARD; Printausgabe, 18./19.8.2007)