Die Ausstellung "Spiel mit der Technik" im Technischen Museum Wien gibt u. a. Einblick in die Roboterwelt.

Foto: Sammlung Andreas Karl, Wien
Forscher der Universität Salzburg gehen der Frage nach, wie Menschen sich gegenüber Robotern verhalten und wie Letztere aussehen müssten, um Vorurteile abzubauen.

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Montagmorgen, Ende Juli. Der Verkehr neben dem Münchner Karlsplatz brummt, die Sonne scheint durch die leichten Wasserschauer, die vom großen Brunnen über den Stachus wehen. Geschäftsleute eilen an Touristen und Schulkindern vorbei, der Platz ist gut besucht. Plötzlich ertönt ein leises Rattern, elektrisch betriebene Räder rollen über die grauen Steinplatten. Passanten bleiben stehen. Ein kleiner Ruck, ein mechanisches Surren, und eine elektronische Frauenstimme sagt holpernd: "Hallo, mein Name ist ACE. Wenn Sie mit mir interagieren wollen, berühren Sie bitte den Bildschirm."

Auf dem Karlsplatz steht ein mannshoher Roboter. Als Rumpf dient ihm ein Glaskasten, der den Blick auf zahlreiche elektronische Gerätschaften freigibt. Bunte Kabel winden sich um einen stilisierten Kopf, der sich ruckend auf die Passanten ausrichtet. Zwei kleine Kameras fixieren ein älteres Paar, das in einem Meter Abstand stehen geblieben ist und die Maschine erstaunt anstarrt. Die Frau fasst sich als Erste ein Herz: Sie tritt einen Schritt heran und berührt das Display auf der Brust des Roboters. Blechern ertönt die Geschichte des Karlsplatzes.

Einige Meter entfernt, versteckt hinter den Arkaden eines der umliegenden Geschäftshäuser, beobachtet Astrid Weiss das Geschehen. Die Soziologin erforscht an der Human Computer Interaction and Usability Unit des ICT&S Center der Uni Salzburg, wie Menschen auf den Kontakt mit Robotern reagieren. "Unser Ziel ist herauszufinden, was Menschen motivieren könnte, mit Robotern zusammenzuarbeiten. Wir wollen wissen, welche Ängste es gibt und wie ein Roboter gestaltet sein sollte, damit er akzeptiert wird", beschreibt sie ihre Forschung.

ACE, ein sympathischer Blechmensch

Unterstützt wird die Wissenschafterin von einem Team um die Ingenieure Dirk Wollherr und Kolja Kühnlenz vom Institut für Automatisierungstechnik und Autonome Systeme der Technischen Universität München, das den Roboter ACE konstruierte. Beide Institute sind Mitglied des internationalen Forschungsprojekts Robot@CWE, das bis 2009 neuartige kollaborative Roboter entwickeln will. Maschinen, die so sicher sind, dass Menschen mit ihnen zusammenarbeiten können.

Eine solche Interaktion zwischen Mensch und Maschine stellt die Techniker vor gänzlich neue Probleme. Schließlich soll der Roboter möglichst menschenähnlich auf sein Gegenüber reagieren können. "Dazu muss der Apparat allerdings lernen, Intentionen zu erkennen" erläutert Dirk Wollherr die Schwierigkeit. Seit etwa einem Jahr arbeiten die Münchner Robotiker darum in dem Exzellenzcluster "Cognition for Technical Systems" (CoTeSys) erstmals mit Psychologen und Soziologen zusammen. Sie sollen den Technikern helfen, ihre Maschinen feinfühliger zu gestalten.

Doch nicht nur der Roboter muss lernen, auf seine menschlichen Arbeitskollegen einzugehen. Auch Krankenschwestern, Industriearbeiter und Astronauten müssten sich an ihre neuen Mitarbeiter erst einmal gewöhnen. Welche Wünsche die Bürger an die Gestaltung eines kollaborativen Roboters haben, weiß indes eigentlich niemand. Bislang gibt es nur wenige empirische Untersuchungen, die meisten Annahmen sind theoretischer Natur. Häufig stammen sie zudem von Technikern, deren Ansichten schon wegen ihres beruflichen Hintergrundes nicht als repräsentativ gelten dürften.

Deshalb fordern Experten wie der Robotik-Ethiker Rafael Capurro von der Hochschule der Medien in Stuttgart schon lange, die Akzeptanz gegenüber Robotern im direkten Bürger-kontakt zu klären. Schließlich entscheiden sie letztlich über den Erfolg oder Misserfolg einer künftigen Zusammenarbeit. Und damit über die Zukunft eines wichtigen Wirtschaftszweiges.

Mithilfe von Beobachtungen und Interviews wollen die Wissenschafter des ICT&S Centers unter der Leitung des Wirtschaftsinformatikers und Sozialwissenschafters Manfred Tscheligi darum an diesem Tag ermitteln, wie die Passanten auf die Anwesenheit eines Blechmenschen reagieren und wie sie sich eine zukünftige Zusammenarbeit mit solchen Maschinen ausmalen. Die Befragung auf dem Stachus ist die erste in einer Reihe von Untersuchungen, die das interdisziplinäre Zentrum im Rahmen des Projektes durchführen will - um letztlich eine Guideline zu entwickeln, die angibt, welche Fähigkeiten ein Roboter besitzen muss, um von seinen Mitmenschen akzeptiert zu werden.

Kommunikationsversuche

Auf dem Stachus hat sich indes eine Traube von etwa zehn Passanten um ACE gruppiert. Die Menschen wirken vorsichtig, aber entspannt: Aus gebührendem Abstand betrachten sie den Apparat. Viele lachen, winken in die Kameras oder versuchen, ein Gespräch mit der Maschine zu beginnen. Dass der Roboter gar nicht autonom ist, realisieren die meisten der Umstehenden nicht. Denn aus Sicherheitsgründen wird ACE an diesem Vormittag ferngesteuert - durch einen Mitarbeiter der TU München, der verborgen hinter einem Werbeplakat mit seinem Laptop die Fahrt dirigiert.

Die Interviews bestätigten das positive Bild: Kaum ein Befragter befürchtete, dass ein Roboter ihm dereinst seinen Arbeitsplatz streitig machen könnte. Eine Zusammenarbeit indes hielten viele für möglich - wenn es nicht zu technisch wird: "Die wenigsten wollten ein Handbuch studieren. Sie konnten sich aber vorstellen, einen Roboter via Sprache zu steuern", fasst Astrid Weiss zusammen.

Die anfängliche Neugierde jedoch als Zeichen neuartiger Technikakzeptanz zu werten, so weit will die Soziologin nicht gehen: "In unserem Kulturkreis gibt es leider eine generelle Skepsis. Es ist die ewige Angst, dass wir uns selbst die Wesen erschaffen, die uns einst stürzen werden."

Dennoch glaubt Weiss, dass eine Zusammenarbeit zwischen Mensch und Maschine durchaus Zukunft hätte: "Ein Grundinteresse ist da. Und die Akzeptanzforschung steht in der Robotik gerade erst am Anfang."

Auf dem Karlsplatz ist der Roboter inzwischen an einen Straßenprediger geraten. "Ihr braucht keine Computer der Hölle", ereifert der sich und starrt wütend auf die Maschine. Die umstehenden Passanten schauen von ihm zu ACE und zurück - und lächeln amüsiert. (Tanja Krämer/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 14. 8. 2007)