In Träumen – oder nebenbei geworfenen Seitenblicken – kommt das manches Mal vor: dass man jemanden zu kennen scheint. Aber beim genaueren Hinsehen zeigt sich, dass die Konturen der Ähnlichkeit etwas verrückt sind, quasi aus dem Ruder gelaufen; sich erst auf dem Weg zur Ähnlichkeit befinden oder diese längst schon hinter sich gelassen haben. So ungefähr muss man sich den Franz Possoth vorstellen. Und wenn er sagt, was er immer sagt – "Es lebe der King!" –, dann erst recht.

Im eigentlichen Leben heißt Franz Possoth Francis Lane. Das mag früher einmal jener US-Student gewesen sein, der sich 1896, bei den ersten Olympischen Spielen der Neuzeit, Gold über die 100 Meter erlaufen hatte. Aber über nicht mehr nachvollziehbare Wege drang der Name bis ins kleine, durch nichts irgendwie berühmt gewordene Krensdorf. Dort suchte ein junger Bursch gerade eine passende Tarnidentität. Und schon blieb "Francis Lane" hängen im Burgenland, wo er rasch begann, ein Eigenleben zu führen. Unter anderem – aber wirklich nur unter anderem – als ein vom King persönlich Begnadeter.

Zu sagen, Francis Lane sei ein Elvis-Imitator, wäre eine grobe Missachtung sowohl seiner diesbezüglichen Kollegen als auch des Francis Lane selbst. Sein gesangliches Volumen ist – um es jetzt so zu sagen – ein wenig limitiert, sein musikalisches ebenso, und "Englisch kann ich nicht", was dazu führt, dass die textlichen Interpretationen über weite Strecken akustisch inspirierte Näherungsversuche sind.

Francis Lane sieht sich ja auch gar nicht als so ein Elvis-Imitator. Im Gegenteil. Er ist, irgendwie jedenfalls, das Original. Es war nämlich so: Vor einigen Jahren kontaktierte ihn ein Fernsehsender anlässlich eines runden Geburtstages des King. Die Redakteurin fragte telefonisch, ob es am wirklichen Todestag des Elvis Presley, also am 16. August 1977, nicht irgendein einschneidendes Erlebnis gegeben habe in Krensdorf. Wenigstens einen Traum oder so. "Nicht, dass ich wüsste", erwiderte Franz Possoth, aber dann beschlichen Francis Lane doch Selbstzweifel. War da nicht etwas? Und siehe, da war etwas – ein Traum: Elvis führt den Krensdorfer durch Graceland, zeigt ihm die Plattensammlung, das ganze Anwesen, schließlich die Garage. "Und dann drückt er mir den Schlüssel für den Cadillac in die Hand." Die Redakteurin war begeistert.

Zu den Dreharbeiten erschien dann auch gleich ein – wie sagt man? – Medium, eine gewisse Isabella. Und die zementierte die späte Erinnerung an den Traum zur Gewissheit. "Als der King starb, hat mich ein kosmischer Funke getroffen." Der glimme seither ohne Unterlass und gegen alle Widerstände so stark, "dass der King sehr zufrieden ist mit dem, was ich mache" – sagt jedenfalls die Isabella.

Der vom Fernsehen inspirierte Traum generierte einen anderen: den, wieder ins Fernsehen zu kommen. Und also tingelt Francis Lane seither durch alle möglichen abseitigen Formate, von ProSieben über Sat 1 bis zu ATV, wo sie ihn heuer zum Beispiel eine Familie tauschen ließen. Er kam zu einer piekfeinen Familie in einen Hotelbetrieb nach Mauerbach. Der Vater und der Sohn rückten für eine Woche ein in Krensdorf, dessen Graceland ein wenig, nun, vernachlässigt ist. War das ein Heidenspaß fürs Publikum!

Francis Lane ist Profi genug, die Gratwanderung zu erkennen:"Natürlich machen sich die nur lustig über mich und meine Krankheit, das ständige Schwitzen." Andererseits habe er halt hier die Möglichkeit, sich einem großen Publikum zu präsentieren. "Ich versuche mitzuspielen, ich hab viele spontane Einfälle." Professionelle Unterhaltungsabsicht also, dass er sich so blöd anstellte, als ihn die Mauerbacher Hausherrin das Staubsaugen und das Duschen lehren wollte. Ganz packt aber der Franz Possoth den Francis Lane doch nicht. "Es tut manchmal schon weh, wenn sie nur lachen."

Dabei hat Franz Possoth schon einige Jahre als Francis Lane auf dem Buckel. Mit den Rockkabarettisten "Noandatteln" tingelte er in den früheren Achtzigern. Von da kommt der Name. Chef Walter Gruber war Z. Zwicker, Franz Possoth klang ihm auch zu bieder. "Und da hab ich spontan gesagt: Ich bin der Francis Lane."

Na ja, ganz so spontan war es nicht. Francis Lane ist eine von zahlreichen Figuren, die Franz Possoth seit Kindestagen sich erdacht hat. Daneben gibt’s einen Mike Dammer, einen Monsun Hill, einen Agenten namens Slemo Bero, einen Franco Nero namens Winni Jack. Und natürlich den Gromono, "das Monster, das die Welt bedroht". In all diesen Comicsfiguren schlummert ein Projekt. Ein Lied, ein selbst illustriertes Büchlein, ein Film. Ein Film vor allem, seit eine Wiener Agentur ihn in die Hauptrolle einer Unsäglichkeit namens "Flesh for the King" gesteckt hat. Zur Premiere kam er in der Stretchlimousine. "Das war fast ein Cadillac."

"Fast ein Cadillac!" Zum Traum des Franz Possoth fehlen dem Francis Lane nämlich noch ein paar Meter. Aber es werde, der King sei immer noch zufrieden mit ihm. "Ich bin nämlich, wie er heute wäre, der King ist mein Weg."

Der aber ist ein harter. Mag sein, dass es das auch ist, was seine Fans spüren: die umfassende Traurigkeit des späten King, als der sich entfernte von allen allfälligen Ähnlichkeiten mit Elvis Presley. (Wolfgang Weisgram, ALBUM/DER STANDARD/Printausgabe, 11./12.08.2007)