Der Kanzler schien nicht ganz bei der Sache zu sein und kokettierte mit der Kamera: Alfred Gusenbauers Vize Wilhelm Molterer stichelte indessen gegen die SPÖ.

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Die Regierung nutzte den Sommerministerrat, um die Debatte um die Vorverlegung der Steuerreform zu beenden: Keine Entlastungen, solange das Budgetdefizit nicht abgebaut ist. Trotz demonstrativer Harmonie konnten sich SPÖ und ÖVP manche Spitzen nicht verkneifen.

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Wien – Ganze 91 Tagesordnungspunkte standen auf der Do-to-Liste des Sommer-Ministerrats am Mittwoch, für den die Regierungsmitglieder extra ihren Urlaub unterbrachen. "Und einer war weltbewegender als der andere", witzelte ein Kabinettsmitarbeiter beim Warten im Vorraum. Drinnen, im Kreisky-Zimmer des Kanzleramts, dementierten dann Alfred Gusenbauer und sein Vize Wilhelm Molterer Schulter an Schulter das, was auch ihre schwarz-blauen Vorgänger beim traditionellen Regierungstreff im August oft zurückwiesen, weil alljährlich mit den Temperaturen auch der Drang von Politikern steigt, eine rasche Steuerreform zu fordern: Nein, trotz sprudelnder Einnahmen werde es jetzt keine Entlastungen geben. Nein, die Steuerreform trete – wie vorgesehen – erst mit 2010 in Kraft, weil die Staatsschuld noch immer bei 143 Milliarden Euro liege. Und nochmals nein, zur Erreichung des Nulldefizits brauche es noch Kraftanstrengung.

Allein im Jahr 2007 zahlt der Staat 6,6 Milliarden an Zinsen, zur Schuldentilgung gehen noch einmal 20 Milliarden drauf. Ergo benötige man weiterhin jeden Zusatz-Euro für den Abbau des Defizits, erklärten Gusenbauer und Molterer. Damit entsorgte die SPÖ still und leise ein weiteres ihrer Wahlversprechen: In der Kampagne vom Vorjahr hatten die Sozialdemokraten noch eine sofortige Entlastung des Mittelstands gefordert.

Zumindest einen detaillierten Zeitplan für die Steuerreform präsentierte das Koalitionsduo. Im Februar 2009 soll das rot-schwarze Entlastungskonzept in Begutachtung geschickt werden, im April dann der Ministerratsbeschluss erfolgen. Im Juni soll das Parlament schließlich das Reformwerk absegnen.

Über die inhaltliche Ausrichtung des Pakets sind sich SPÖ und ÖVP hingegen noch nicht einig. Auf die Frage, ob nach wie vor ausschließlich Steuersenkungen, aber keine Belastungen vorgesehen seien, antwortete Molterer mit einem simplen "Ja". Gusenbauer hingegen wich auf Ausführungen über die Ziele der Reform aus: Stärkung des Wirtschaftsstandortes, Entlastung für die unteren und mittleren Einkommen, ökologische Anreize. Molterer kündigte im Gegenzug Erleichterungen für Mehrkindfamilien an. "Wir haben die gleichen Ziele", versicherte der Vizekanzler und suchte den Augenkontakt zu Gusenbauer. Der blickte allerdings ungerührt geradeaus.

Schwarze Sticheleien

Ganz treu blieb Molterer dem Grundsatz, keine Steuern und Abgaben zu erhöhen, freilich nicht. Der Finanzminister erwog abermals, Sozialversicherungsbeiträge auf Erlöse aus Mieten und Pachten einzuheben – ein Vorschlag, der für die SPÖ zu kurz greift. Annäherung gibt es bei der Idee, die Schwellen für die verschiedenen Steuerklassen anzuheben. Derzeit greift der Spitzensteuersatz ab 51.000 Euro jährlich. Die ÖVP will die Grenze auf 80.000 Euro anheben.

Geeinigt hat sich die Koalition auf ein Haushaltsrecht, eine Art Anleitung, wie Budgets erstellt werden. Nur aufgeschoben ist der Streit um das freiwillige Sozialjahr. Vorerst hat sich ebenfalls die ÖVP durchgesetzt. Sozialminister Erwin Buchinger (SPÖ) muss die Kosten aus seinem Etat bestreiten. Molterer süffisant: "Ich habe Buchinger geholfen, in seinem Budget Mittel zu finden."

Andere Minister ließen sich Mittwoch zu noch schärferen Spitzen hinreißen. Innenminister Günther Platter (ÖVP) geißelte den „Populismus“ von Verkehrsminister Werner Faymann, der sich erfrecht hatte, wegen der vielen Unfalltoten mehr Polizei auf den Straßen zu fordern. Das Ungewöhnliche daran: Die beiden haben sich bisher gut verstanden. (Gerald John, Nina Weißensteiner, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 09.08.2007)