Blick auf Lissabon vom Elevador de Santa Justa.

Foto: M. Harmtodt
Lisboa abseits von Pessoa - ist möglich und interessant! Man darf nicht den üblichen Spuren folgen, muss eigene Wege gehen, wie immer, wenn man etwas Interessantes will. Muss mit den Händen anpacken und mit den Menschen sprechen - sobald sie die ersten Worte auslassen, verschwindet die Ernsthaftigkeit, ein Lachen macht die Gesichter rein und schön. Frauen und Männer, die Freundlichkeit ist ein guter Begleiter der wohl tut und das Herz erfreut. Der Fortschritt hat die Herzen nicht erfasst, die schlagen mit der gleichen Ruhe wie immer, das was bleibt ist perfekt.

Lisboa ohne Kamera – perfekt und im Augenblick, das Auge speichert die Bilder, verschiebt sie dann, lagert sie nicht aus, das tut die Kamera. Alles bleibt drinnen, bis es hinausgeschrieben ist und das Beste bleibt für immer.

Im Campo de Ourique ein Kaffee und ein kleines Bier, 1,10 Euro, dann mit dem gekauften Fahrrad runter zum Chiado, heiß ist´s, mit ein paar Fischern auf das Uferwasser des Tejo geschaut, ein paar Afrikaner im Schatten, gemütlich, die Hitze ist enorm, ein kleiner Wind bläst vom Meer her, die Pflastersteine beim Rossio glühen schwarz, besser, die Sandalen nicht auszuziehen.

Am Miradouro de Graça ein bisschen angenehme Ruhe, weniger Touristen als am Castelo Sao Jorge, außerdem gratis, zwei, drei kleine Sagres-Dosen schnelle geleert, zwei Männer aus Lisboa spielen Karten, die Musik von Guns´n´Roses hämmert angenehm hervor, der Blick runter zum Tejo tut wohl wie frischer Pfirsichsaft, der langsam die Kehle runtersickert. Hier oben ist´s schattiger als unten am Restelo, trotzdem wieder runter und dann weiter Richtung Bahnhof Santa Apolonia, schnell eine Fahrkarte kaufen, morgen geht´s ins Gebirge, vorher noch mit den Augen ein paar Schiffe entladen und ein paar Taue für einen dicken Portugiesen aus dem Wasser geholt.

Auch um zwei Uhr Nachmittag stehen Prostituierte am Aufgang zum Castelo, am Anfang der Mouraria, ein chinesisches Geschäft verkauft grünen Tee in Dosen, kann nur das Abfülldatum lesen, der Rest schmeckt ausgezeichnet, bitter – und grün wie die Landschaft um den Tejo ins Landesinnere rein. Bis zur Quelle komme ich nicht, auch die Fischer auf den Booten kümmern sich nur um die Netze.

Dann noch einen Sprung raus nach Belém, dort lege ich mich in den Park, das Rad in der U-Bahn war möglich, aber die Leute haben mich ein bisschen strange angeschaut. McDonalds bringt den Kaffee heiß und um 50 Cent, der Gazpacho in Sevilla kostet 1,50 Euro. Ist aber kalt, natürlich. Wind und Straßenbahnen, halb touristisch, halb einheimisch, ich fahre lieber mit dem Bus, wenn ich mein Fahrrad nicht dabeihabe. Drüben blinkt das neue Lisboa und der Cristo Rei wie ein zu Stein erstarrter Doktor, dem das Besteck aus der Hand gerutscht ist, ganz hinten die Pontinha Vasco da Gama, flach und funktional, weiß, nicht so rot wie 25 de Abril, aber die gefällt mir trotzdem, lang und weit hinüber, hoch und komfortabel fürs Auge, weil es den Seilen weit hinauf folgen kann. Springen, von dort, in den Tejo? Machen vielleicht auch welche.

Mit dem Fahrrad zum Campo Pequeno, rein in die S-Bahn nach Amadora, sind vier Stationen, raus aus dem Zug und die paar Meter rüber zur Unterkunft, wo ich mir in der Früh das Brot immer selbst vom frischen, langen Laib herunterschneide; dazu ein paar Weckerln aus feinstem Weizen, schmeckt handgemacht, nicht so maschinell, und auch der Marokkaner mit den dunklen Locken ist gut aufgelegt, Kaffee pingado, Tee und Käse, alles bestens. Viel verdienen die Leute nicht, aber sie verdienen es sich, aber die Sonne macht auch kein Gold, und der Fisch in der Taverne hat seinen Preis.

In der Alfama, ganz unten, wo die Straßen geschmückt sind, Girlanden, Rot und Grün und Weiß, alegria, hängen zwei kahlgerupfte Hendln an 70 Zentimeter langen Schnüren, klein und unter den Augen einer häkelnden Besitzerin. Drei Amerikaner, eine Familie, rasten auf den Steinstufen, ich gehe aber weiter Richtung Docks, dort hängt ein Kreuzschiff an dicken Tauen, die Rettungsboote fassen bis zu 100 Personen, mein Fahrrad wird mir ein bisschen lästig, aber dann kann ich wieder ein Stück fahren, raus Richtung Park der Expo 98, ist weit, aber dort bleibe ich dann und esse eine Suppe. (Klaus Stanzer, Juli 2007)