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"Wir wollen Herren über unser eigenes Land bleiben", sind sich die Bauern im indonesischen Kalimantan auf der Insel Borneo einig. Seit dem anhaltendem Boom mit Palmöl zählen sie zu den Verlierern des Wirtschaftsaufschwungs. Landenteignungen, geringe Kompensationen und die daraus resultierende Verarmung sind einige der vielen Nebenwirkungen durch das Geschäft mit dem Agrotreibstoff.

Im Bild: Indonesische Bauern protestieren in Jarkata gegen neue Landgesetze, Juni 2005.

REUTERS/Crack Palinggi

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Barto, Sprecher einer Dorfgemeinschaft im Westen Kalimantans, klagt im BBC-Interview: "Eines Morgens kam ich auf mein Land: All meine Bäume, alle Pflanzen waren gerodet. Ich muss nun als Bauarbeiter nach Malysia pendeln, um meine Familie ernähren zu können." Seine Dorfgemeinschaft ist eine von vielen, die Land an Unternehmen abtreten mussten.

Im Bild: Waldrodung in Zentralkalimantan im April 2007.

Foto: REUTERS/HO/Hardi Baktiantoro

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Weltweit floriert der Anbau und die Verarbeitung von Mais, Soja, Raps, Zuckerrohr, Palmöl oder Weizen für die Herstellung von Biodiesel oder Bioethanol. Indonesien produziert gemeinsam mit dem Nachbarland Malaysia rund 85 Prozent des Palmöls weltweit, und beide Länder beherrschen den Palmölmarkt mit 91 Prozent der Weltexporte.

Im Bild: Ein Poster mit einer Palmölfrucht im Hauptquartier der Malaysia International Commodity Conference & Showcase (MICCOS)in Kuala Lumpur.

Foto: APA/EPA/AHMAD YUSNI

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Lebensmittelkonzerne sowie Kosmetik- und Waschmittelbranche zählten bislang zu den Hauptabnehmern von Palmöl, Produkt der Ölpalme (Elaeis guineensis). Traditionell wurde Palmöl in der Nahrungsmittelproduktion verwendet, für Margarine, Backwaren oder Süßigkeiten. Der Schmierstoff findet sich auch in Waschmitteln wieder, gekennzeichnet als "Cetyl Palmitate".

Im Bild: Ernte auf einer Palmenplantage in Kalimantan.

Foto: APA/EPA/Christiane Oelrich

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Seit den 90er Jahren ist die Nachfrage nach Palmöl durch die Energiepolitik der Industriestaaten enorm gestiegen. Bioethanol und Biodiesel wird vermehrt den herkömmlichen Treibstoffen beigemengt. Ursache für den gesteigerten Bedarf sind die Energiestrategien der Industrienationen: Die EU hat beschlossen, den Anteil an Biodiesel im Erdöldiesel bis 2010 auf 5,75 Prozent zu erhöhen, bis 2020 auf zehn Prozent. Japan hat ebenfalls eine Erhöhung des Anteils auf drei bis fünf Prozent geplant. Und um diese Pläne zu realisieren, muss Biodiesel importiert werden.

Im Bild: Die Früchte der Palmölbäume vor der Verabreitung in einer Mühle, auf Borneo, im März 2007.

Foto: APA/EPA/Christiane Oelrich

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Mit der Nachfrage stieg auch der Preis, beispielsweise um 35 Prozent im Jahr 2006 im Vergleich zum Vorjahr. Und im Unterschied zu Rapsöl ist Palmöl billiger und ertragreicher, bei gleichzeitig weniger Arbeitskräftebedarf.

Im Bild: Palmenplantage in Borneo, März 2007.

Foto: APA/EPA/Christiane Oelrich

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Nur Hidayati, Mitarbeiterin der indonesischen NGO Sawit Watch, sieht noch weitere Gründe für den Boom: "Die Fläche für Palmölplantagen ist seit 1985 bis 2005 um 845 Prozent gestiegen. Die Gründe dafür sind die niedrigen Bodenpreise, Korruption, Vetternwirtschaft und das Ziel der Regierung, zum weltgrößten Produzenten aufzusteigen."

Als eine „Lokomotive für das wirtschaftliche Wachstum“ bezeichnet Indonesiens Präsident Susilo Bambang Yudhoyono den Biodiesel-Boom, den Indonesien derzeit erlebt. Dutzende Biodiesel-Fabriken sind im Bau, Holzfäller und Brandstifter sind unterwegs, um den Wald „nutzbar“ zu machen: das heißt urbar für die Bedürfnisse der Produzenten von Biotreibstoff.

Im Bild: Ladearbeiten mit der Ölfrucht.

Foto: AP /Andy Wong

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Indonesien erwartet sich vom Boom mit dem Agrotreibstoff nicht nur einen enormen Wirtschaftsaufschwung, sondern auch tausende Arbeitsplätze. Das Landwirtschaftsministerium in Jakarta plant, die Produktion von Rohpalmöl bis 2025 um das Dreiundvierzigfache zu steigern, davon sollen 40 Prozent des Rohöls im Land selbst weiterverarbeitet werden. Bis 2020 soll die Fläche, die mit Ölpalmen bepflanzt wird, verdreifacht werden.

Im Bild: Weiterverarbeitung des Rohöls in Kalimantan.

Fotos: APA/EPA/Christiane Oelrich

Doch um die Produktion zu steigern sind neue Plantagen nötig. 6,5 Millionen Hektar sind zurzeit mit Ölpalmen bepflanzt, weitere 20 Millionen Hektar werden angepeilt, ein Teil davon ist schon genehmigt. An dieser Politik der massiven Ausweitung der Plantagen üben nicht nur NGOs Kritik, auch die Weltbank sorgt sich: In drei, vier Jahren könnte der Tiefenregenwald verschwunden. Und mit ihm auch die Lebensgrundlage für Millionen von Menschen.

Im Bild: Ein Plantagenarbeiter pausiert. Aufnahme aus dem Jahr 2000.

Foto:

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Hinzu kommt, dass Biodiesel aus Palmöl für viele Unternehmen erst dann so richtig interessant wird, wenn zusätzlich am Tropenholz verdient werden kann. Dies bedeutet den Kahlschlag und die Brandrodung durch Holzsyndikate, die durch Allianzen mit den Plantagenunternehmen ebenfalls vom Agrotreibstoff profitieren.

Im Bild: Rauch steigt über einem Stück Wald auf, das durch Feuer gerodet wird. (Aufnahme vom August 2005)

Foto: AP /Tatan Syuflana

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Bis zu 90 Prozent des auf internationalem Markt gehandelten Tropenholzes stammt aus illegalen Quellen Indonesiens. Alle Programme, die den Kahlschlag beenden sollten, sind bislang gescheitert.

Im Bild: Ein indonesischer Soldat bewacht beschlagnahmtes Holz (Oktober 2005).

Foto: REUTERS/Yusuf Ahmad

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Durch Brandrodungen werden wiederum riesige Mengen an Kohlendioxid ausgestoßen. Rund 25 bis 30 Prozent der weltweiten Treibhausgase sind Resultat von Abholzungen und Waldbrand. Gerade die Torfwälder, die brandgerodet werden, stoßen besonders viel CO2 aus. Der Versuch, durch Biosprit zur Reduktion von Treibhausgasen beizutragen, wird so zunichte gemacht.

Im Bild: Buben versuchen, das Feuer in den Wäldern nahe Banjarmasin im südlichen Kalimantan zu löschen.

Foto: REUTERS/Stringer

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Laut Studien der niederländischen Organisation Wetlands sowie Delft Hydraulics werden durch diese Torf- und Waldbrände jedes Jahr rund 1.400 Millionen Tonnen CO2 freigesetzt. Das ist das Fünffache der Menge, um welche laut Kyoto-Protokoll die Industrieländer bis 2012 ihre Emmissionen im Vergleich zu 1990 senken wollen.

Indonesien selbst ist zum drittgrößten Land hinsichtlich der CO2 Emissionen weltweit aufgestiegen, neben den USA und China. Hinzu kommt, dass eine Tonne Biodiesel aus Palmöl mit der Emission von 10 bis 30 Tonnen Kohlendioxid verbunden ist, bis zu zehnmal mehr als beim Verbrennen von einer Tonne Diesel aus Erdöl ausgestoßen wird.

Im Bild: Rauch über der Insel Borneo, Oktober 2006.

Foto: REUTERS/Jeff Schmaltz/Handout

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Nicht nur die mangelnde ökologische Nachhaltigkeit wird kritisiert, auch die Situation für einen Großteil der Bevölkerung hat sich seit dem Boom drastisch verschärft. Viele Bauern, Indigenas und ganze Gemeinden sind mit Gewalt von ihren Ländern und aus den Wäldern vertrieben worden. Ist das Land einmal leer, so braucht es der Unternehmer nicht mehr zu kaufen, sondern kann leeres Land „erschließen“.

Im Bild: Atemschutz gegen Rauchgase im September 2002.

Foto: REUTERS/Stringer

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Die Entschädigungen sind, wenn überhaupt, gering und können den Verlust des Landes in keiner Weise wiedergutmachen. Die Menschen verlieren durch die Rodungen ihre Lebensgrundlage. Davon sind nicht nur kleine und verstreute Indigenasgruppen betroffen, sondern Millionen von Menschen.

Im Bild: Ein Bub auf einer zukünftigen Plantage, August 2005.

Foto: AP /Tatan Syuflana

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Wehrt sich die lokale Bevölkerung gegen die Enteignungen, wird sie durch Polizei oder Militär eingeschüchtert. Die Mitarbeiterin von Sawit Watch, Hidayati, spricht von schweren Menschenrechtsverletzungen: "Die Plantagen werden häufig mit Hilfe von paramilitärischen Gruppen gewaltsam realisiert, die sich für die Interessen der Konzerne einsetzen. Seit 1998 haben wir über 500 Fälle von Folter dokumentiert im Zusammenhang mit Palmöl-Plantagen. Opfer waren jeweils Leute, die lokale Rechte verteidigt haben. Im selben Zeitraum wurden als Folge von Landkonflikten Dutzende Menschen ermordet."

Im Bild: Ein Plantagenarbeiter auf dem Heimweg.

Foto: REUTERS/Beawiharta

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Im Zuge der massiven Fehlentwicklungen durch die Palmölwirtschaft wurde 2004 ein Runder Tisch zur Lösung der Konflikte gegründet. Ihm gehören neben Umweltorganisationen auch Produzenten und Käufer an. Gemeinsam wurden Konzepte erarbeitet, die der Abrodung des Regenwaldes sowie den Konflikten zwischen der lokalen Bevölkerung und den Unternehmen entgegenwirken sollen. Auch der Schutz von Wildtieren ist vorgesehen. Was auf dem Papier vielversprechend klingt, zeigte in der Realität jedoch bisher kaum Auswirkungen.

Im Bild: Ein einsamer Baum in einer im Wachsen begriffenen Ölbaumplantage.

Foto: REUTERS/HO/Hardi Baktiantoro

Einige Unternehmen, wie der britische Energiekonzern RWEnpower haben zwar vom Gebrauch von Palmöl aus Indonesien Abstand genommen. Auch ein niederländischer Energekonzern hat erklärt, bei den Importen sicher zu gehen, dass die Ressource nicht aus zerstörten Regenwäldern kommt. Für Menschen wie Barto jedoch nur ein schwacher Trost, denn die Landenteignungen gehen weiter, und für eine Anfechtung braucht man Geld. (hag, derStandard.at, 8.8.2007)

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