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Die Waffengeschäfte zwischen Frankreich und Libyen sorgen für heftige Debatten in Europa

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Der nordafrikanischen Diktatur kauft von Frankreich und einigen anderen EU-Ländern unmittelbar nach der "erkauften" Freilassung von sechs bulgarischen Häftlingen einen Atomreaktor und Waffensysteme im Wert von 300 Millionen Euro

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Während der französische Präsident Nikolas Sarkozy einen Zusammenhang dementiert, protzte Seif al-Islam Gaddafi in Medien mit dem angeblichen Verhandlungserfolg

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"Libyen blickt jetzt nach Westen", betitelte die FAZ eine Geschichte am 10. Oktober 2004. Nur einen Tag später hob die Europäische Union geschlossen ihr Waffenembargo gegen das Land an der zentralen Nordküste Afrikas auf - auf Druck von Italiens Premierminister Silvio Berlusconi und angeführt von dessen britischen und deutschen Amtskollegen Tony Blair und Gerhard Schröder. Ein strenger Verhaltenskodex sollte künftig genügen, wenn es um Waffengeschäfte mit der arabischen Republik ging.

Muammar al-Gaddafi, der seit 1969 an der Spitze des erdölreichen Staates steht, wandelte sich scheinbar binnen kürzester Zeit vom Terror-Unterstützer zum neuen Vertrauensmann in der arabischen Welt. Er gestand 2002 Verwicklungen in die Terroranschläge von Lockerbie (1986), bei denen 270 Menschen ums Leben kamen, und hatte nach Schadensersatzzahlungen in Europa wieder einen Fuß in der Tür. Im Jahr darauf verzichtete der Diktator Libyens auf sein Atomprogramm und Massenvernichtungswaffen. Im Mai 2007 zahlte sich das für beide Seiten aus. Mit einem 900 Millionen Euro-Erdölgeschäft war der britische Konzern British Patrol (BP) nach jahrzehntelanger Abwesenheit plötzlich wieder in Libyen.

Der Oberst trauert um Saddam Hussein

Trotz des gekippten Waffenembargos und leichter Annäherung dauerte es aber drei Jahre, bis ein europäischer Staat wieder Waffen an Gaddafi verkaufte. Frankreich (bzw. das italienisch-britisch-französische Rüstungsunternehmen MBDA) liefert Panzerabwehrraketen und Funksysteme im Wert von fast 300 Millionen Euro an die Diktatur. Das Tochterunternehmen von EADS bestückt damit ein Regime mit Militärtechnologie, das noch 2006 eine Staatstrauer ausrief, weil der im Irak wegen Massenmord verurteilte Ex-Diktator Saddam Hussein am Strang hingerichtet wurde.

Von den angeblichen strengen Verhaltensregeln war bei diesem Deal nicht mehr viel zu sehen. Im Gegenteil: Die Optik könnte kaum schlechter sein. Nur wenige Tage zuvor ließ Libyen sechs zum Tode verurteilte bulgarische EU-Bürger frei. Ihr Gerichtsverfahren bezeichneten internationale Beobachter als Farce und die Freilassung als geglückte Erpressung. Der Preis war offiziell eine Schadensersatzzahlung von etwa 400 Millionen Euro.

Dilemma und Empörung

Hinter mehr oder weniger vorgehaltener Hand wurde getuschelt, was Seif al-Islam Gaddafi, der Sohn des Diktators, in der französischen Zeitung "Le Monde" bald hinausposaunte: Die Waffengeschäfte brachten den Bulgaren die Freiheit. Frankreich bestreitet den Zusammenhang offiziell. Wie glaubwürdig das Dementi ist, und welches offensichtliche Dilemma der neue französische Präsident Nikolas Sarkozy da wenig elegant ignoriert hat, beschreibt "Die Zeit": "Gewöhnliche Terroristen können uns nur schaden. Oberst Muammar al-Gaddafi aber kann uns nutzen, mit viel Erdöl und als potenter Käufer französischer Kernkraftwerke". Libyen kauft von Frankreich auch einen Atomreaktor und weitere Deals schließen beide Seiten nicht aus.

Kritik am Vorgehen der Franzosen kommt vor allem von deutschen Politikern, die sich eine Abstimmung innerhalb der EU über solche Deals wünschen – und ihre Interessen bedroht sehen. Aber auch Deutschland profitiert natürlich von den fragwürdigen Geschäften. Siemens ist in den Atomreaktorendeal verwickelt und durch EADS ist man am Waffenhandel nicht ganz unbeteiligt. Auch sonst dürften in Europa nur wenige Staaten an einer Konfrontation mit Libyen interessiert sein. EU-Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner kündete gleich nach der Freilassung der Gefangenen an, dass nun neue Wege der Zusammenarbeit möglich wären. Neuen und potenten Freunden verzeiht man schnell. (tsc, 3.8.2007, derStandard.at)