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Operetten-Staffage für einen Benjamin-Britten-Wald aus lauter US-Mythen: v. li. Heather Shipp ("Moppet"), Andrea Bogner ("Fido") und Bonity Hyman ("Poppet").

Foto: Forster/APA
Bregenz - Womöglich war man in der Vorarlberger Landeshauptstadt in den 1930er-Jahren schon realistischer als in den kleinen Gemeinden des Vorderlands. Dort nämlich wusste ein Amerika-Erfahrener von Paradeisfeldern zu berichten: So üppig, dass einem beim Durchstapfen der Tomatensaft in die Stiefel hineinfließt! Nur ein Koloss konnte solch ein Land kultivieren. Paul Bunyan heißt der mythische Waldarbeiter, und diesem Riesen widmete der 1939 in die USA emigrierte Benjamin Britten sein erstes Musiktheater. Weizen, hoch wie Kirchtürme, und Kartoffeln, groß wie Luftschiffe, kursieren im Libretto von Co-Auswanderer W. H. Auden.

Unmonströs und beschwingt gibt sich die Co-Produktion von Bregenzer Festspielen, Volksoper Wien, Luzerner Theater und Opera North, das gut aufgelegte Premierenpublikum honorierte selbst Putziges wie die leichtfüßigen Auftritte des Telegrammjungen (Martin Dablander). Britten-Kenner Steuart Bedford lenkt das Symphonieorchester Vorarlberg durch die bunte Operette, die nach Revue-Art Elemente von Blues bis Fiddle-Folk integriert - 1941 noch ein Flop.

Das Kollektiv durchlebt die Forstarbeiter- und die Farmerphase, zuletzt zieht's Einzelne in die Metropolen New York, Washington, Los Angeles, während der Riese weiter muss. Den Übervater spricht kraftvoll Helmut Krauss. Dass er auch Samuel L. Jackson als predigenden Killer in Pulp Fiction synchronisierte, würzt den Klang seiner mahnenden Worte über und an "Amerika".

Krauss macht's prononciert, ansonsten schlägt sich der gesungene Text (bemerkenswerte deutsche Übertragung: Erich Fried) unter seinem Wert. Betitelung verdiente allein schon, wie der zu Höherem Berufene - und sich nach Spanien oder Paris sehnende - Buchhalter (gefordert: Roberto Gionfriddo) mit den Holzköpfen Süßholzraspeln trainiert.

Suppen und Bohnen

Wer wird bezirzt? Das Girl. Die "Topsy Turvy Berge" sind nicht Brokeback Mountain, sagt ein Blick auf die Partie im Karo (Kostüme: Timo Dentler, Okarina Peter). Obwohl: Das Kochduo Suppen-Sam und Bohnen-Ben kann es als Pärchen durchaus aufnehmen mit dem konventionellen Pendant aus Slim und Paul Bunyans Tochter Tiny.

Hübsche Einfälle hat Regisseur Nicholas Broadhurst für die Umsetzung der Haustiere und der Natur, sie treten an als liebevoll ironisierte Ikonen des Amerikanischen, vom Cheerleader bis zu Peter Pan, vom Astronauten bis zum Football-Quarterback. Bewährt hat sich die Zusammenarbeit mit den Brothers Quay. Die zeigen auf der Bühne ein muschelförmiges Gebilde mit Jahresringen. Zuletzt werden diese zum Barcode. Wald ist Ware, wir sind gelandet in der postindustriellen Welt. Wo nur die Konzerne Riesen sind. (Hubert von Goisern (im Hintergrund sein Konzert- und Wohnschiff) wird im ukrainischen Vilkovo nahe des Donaudeltas von einer Jugendtanzgruppe begrüßt. Beim Austausch mit fremden Kulturen muss immer auch ein wenig Protokoll dabei sein. (Petra Nachbaur/ DER STANDARD, Printausgabe, 31.7.2007)