Körper zweier Frauen, die miteinander kommunizieren: Bibi Andersson (li.) und Liv Ullman in "Persona", einem Bergman-Schlüsselfilm aus dem Jahr 1966.

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Das Kino als ein Ausweg aus dem Krankheitsbild Leben: der schwedische Regisseur Ingmar Bergman.

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Mehr als 40 Kinofilme hat der schwedische Regisseur Ingmar Bergman gedreht. Einige seiner wichtigsten Werke:

1955: "Lächeln einer Sommernacht"
1956: "Das siebente Siegel"
1957: "Wilde Erdbeeren"
1959: "Jungfrauenquelle" (Oscar als bester fremdsprachiger Film)
1961: "Wie in einem Spiegel"
1962: "Das Schweigen"
1966: "Persona"
1968: "Schande"
1972: "Schreie und Flüstern"
1973: "Szenen einer Ehe"
1975: "Die Zauberflöte"
1977: "Das Schlangenei"
1978: "Herbstsonate"
1981: "Fanny und Alexander" (vier Oscars)
2003: "Sarabande" (TV)

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Bergman fand eindringliche Erzählungen, Figuren und Bilder, die das nicht unbedingt optimistische Selbstverständnis der Nachkriegsära prägten.


Stockholm/Farö - "Ein schöneres Leben als dieses Leben gibt es nicht!", heißt es am Ende von Das Lächeln einer Sommernacht, dem ersten großen Filmerfolg von Ingmar Bergman. Der Satz lässt sich in den beiden Richtungen lesen, die sein eigenes Leben genommen hat: ekstatisch und fatalistisch zugleich.

1956 reist der schwedische Regisseur mit seinem Film zum Festival nach Cannes und gewinnt dort den "Spezialpreis für poetischen Humor". In der Heimat gilt er als Pornograf: "Sexuelles wird ohne innere Motivation bloßgestellt", schreibt ein Kritiker, und der Schriftsteller Olof Lagercrantz sieht nur "freche Träume eines unreifen Herzens".

In Wahrheit ist es ein Herz im Winter, das sich bereits in dieser Komödie zu erkennen gibt. Wenn Ingmar Bergman heute mindestens als der größte Filmemacher seiner Epoche gilt, so liegt dies daran, dass er dieser Zeit - die Ära nach dem Zweiten Weltkrieg bis 1989 - ein maßgebliches Selbstverständnis geliefert hat: nachreligiös, aber in tiefe Vaterkomplexe verstrickt; psychoanalytisch, aber ohne Hoffnung auf Therapie; fixiert auf eine Vergangenheit, zu deren Bewältigung kein Mittel taugt.

Auf die Frage nach seiner politischen Haltung antwortete er 1968: "Wenn es eine Partei für Menschen in Angst gäbe, würde ich mich ihr anschließen." Ingmar Bergman hat sie de facto selbst begründet, diese Partei. Das Schweigen (1963), sein vielleicht berühmtester Film, ist die Internationale dieser Partei: Erzählt wird darin eine Flucht ohne Ende, eine Passage durch ein angedeutetes diktatorisches System, von dem die beiden Frauen Ester und Anna und der Junge Johan nur Schatten wahrnehmen, während sie sich mit Alkohol und lasziven Abenteuern betäuben.

In Persona (1966) hört die von Liv Ullmann verkörperte Schauspielerin einfach mit allem auf und begibt sich in psychiatrische Behandlung. Ihr Verstummen wird vage mit dem Schrecken des Weltgeschehens in Verbindung gesetzt, aber wie so oft bei Bergman sind es die Körper zweier Frauen, die miteinander kommunizieren. Die Krankenschwester (Bibi Andersson) erzählt zu Beginn noch unverblümt von ihrem Liebesleben; am Ende ist sie ganz in den Bann ihrer Patientin geraten.

Die Krankheitsbilder variieren bei Bergman: Es gibt schwere Depressionen und traurige Hysterien, aber pathologisch ist das Leben in jedem Fall, und immer stehen die Eltern vor der Urszene, in der sich alles entscheidet. Der Pastorensohn Bergman, der am 14. Juli 1918 in Uppsala zur Welt kam, entdeckte schnell, dass technische Medien einen Ausweg weisen: "Hier kam die Laterna magica zum Einsatz, ein kleiner Blechkasten mit Petroleumlampe (ich erinnere mich noch deutlich an den Geruch des Blechs), Linse und einigen farbigen Glasbildern, Rotkäppchen und der Wolf unter anderem. Und der Wolf war der Teufel, eigenartig fasslich und doch abstrakt, der Inbegriff des Bösen und der Verführung auf der blumigen Tapete des Kinderzimmers."

Das ganze Kino des Ingmar Bergman ist in diesem Notat enthalten: die verführerische Kraft des Bösen und sein Bestreben, die Abstraktionen und Neurosen der protestantischen Religiosität begreifbar zu machen. In seinem allegorischen Hauptwerk Das siebente Siegel (1957) spielt ein Kreuzritter gegen den Tod Schach vor dem Hintergrund der großen Pest am Ausgang des Mittelalters. Am Ende steht die für Bergman fundamentale Feststellung, dass es zwar Regeln für das Spiel gibt, aber keine Begründung.

Nicht kleinzukriegen

In seinem eigenen Leben war die letzte Instanz häufig viel trivialer als in seinen apokalyptischen Bildern: Er führte einen permanenten Kleinkrieg mit der schwedischen Bürokratie. 1976 wurde er von der Steuerfahndung verhaftet, was ihn zu einem mehrjährigen Exil nach München zwang, wo er am Residenztheater eine Anstellung erhielt, die 1981 mit seiner fristlosen Entlassung endete.

Mit dem epischen Spätwerk, der Familiengeschichte Fanny und Alexander, drehte er 1982 seine "Liebeserklärung an das Leben", einen milder gefärbten Gegenentwurf zu den schmerzhaften Szenen einer Ehe (1972). Über Jahrzehnte wurden diese Werke ästhetisch entscheidend von der Kameraarbeit Sven Nykvists geprägt. Das Künstlerkollektiv um Bergman bildete ein eigenes Studiosystem, die nordischen Stars wie Victor Sjöström, Erland Josephson, Max von Sydow waren vertreten.

In erster Linie aber war Bergman ein Regisseur (und untreuer Gefährte) der Frauen: Ingrid Thulin, Liv Ullman, Bibi Andersson sind mit seinen Filmen so identisch geworden, dass Ullman bei den Festspielen in Cannes 2000 mit Treulos einen lupenreinen Bergman vorlegen konnte, bei dem sie selbst Regie geführt hatte. Das Drehbuch stammte vom Meister.

Als die berühmtesten Regisseure der Welt dort beim 50. Filmfestival den größten Vertreter ihrer Kunst wählen sollten, waren sie sich schnell einig: Ingmar Bergman. Mit seinem Tod endet das lange 20. Jahrhundert des Kinos. (Bert Rebhandl /DER STANDARD, Printausgabe, 31.7.2007)