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"Wir sind zum Spielball der Politik geworden": Kinder gestrandeter Palästinenserfamilien im ägyptischen al-Arish nahe dem Grenzübergang Rafah.

Foto: Reuters/Nuri
In Rafah bleiben Tausende Palästinenser seit Wochen von ihrer Heimat ausgesperrt. Sie können nicht zurück in den Gazastreifen, weil niemand mit der Hamas reden will.

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Die Unterkunft könnte bescheidener nicht sein. In einem halbfertigen Rohbau hat die fünfköpfige Familie von Chamis Mohammed Batran ein Dach über dem Kopf gefunden. Im gelben Wüstensand liegen eine Strohmatte und zwei Schaumstoffmatratzen. Aus Ziegelsteinen wurden ein Tisch aufgeschichtet und ein Regal, auf dem ein paar wenige Esswaren stehen. Als Tischdecke dient der ausgebreitete Karton einer Schachtel. Der einzige Stuhl ist der Rollstuhl der 80-jährigen Großmutter. Es gibt keine Toilette, kein Bad und auch keinen Strom. Wasser holen sie sich von der benachbarten Moschee. Lebensmittel verteilt hin und wieder der Rote Halbmond.

Geld ist ausgegangen

Seit 40 Tagen lebt die Familie Batran aus Gaza unter diesen misslichen Verhältnissen. Sie ist hier in Rafah nur wenige hundert Meter von der Grenze zwischen Ägypten und dem Gazastreifen gestrandet. Die drei Erwachsenen und zwei 15-jährigen Schüler waren vor dem Ausbruch der bewaffneten Kämpfe zwischen Fatah und Hamas nach Kairo gereist. Alle haben sich dort im Krankenhaus kurieren lassen. Operationen an Rücken und Kniescheiben sowie Viruskrankheiten müssten jetzt noch nachbehandelt werden. Aber nach ihrem Spitalaufenthalt konnten sie nicht mehr nach Hause. Seit dem 9. Juni ist der Grenzübergang in Rafah geschlossen, und längst ist dem Vorarbeiter aus Gaza das Geld ausgegangen.

6000 Palästinenser und Palästinenserinnen sind in der gleichen Situation wie Abu Nizar, das Oberhaupt der Batran-Familie. Sie alle wurden von der Grenzschließung überrascht. "In Kairo konnten wir nicht bleiben, da sind die Kosten für eine Unterkunft viel zu hoch", sagt ein Fatah-Polizist. In den ersten Tagen sind viele noch in überfüllten Billighotels in der 40 Kilometer entfernten Stadt al-Arish abgestiegen, andere campierten auf dem freien Feld. Viele ägyptische Hausbesitzer in den grenznahen Dörfern haben in den letzten Wochen großzügig gestrandete Palästinenser bei sich aufgenommen.

Notunterkünfte

Vor wenigen Tagen erst hat dann auch Ägypten reagiert und in al-Arish sieben Notunterkünfte in Schulen, Militärlagern und Jugendklubs für 900 Personen eröffnet. Die Versorgung mit Lebensmitteln ist unregelmäßig. Bis jetzt haben vor allem der lokale Rote Halbmond, die Muslimbrüder und das ägyptische Ärztesyndikat Hilfe verteilt. Die Regierung in Kairo hat jetzt die Spitäler von al-Arish auch angewiesen, die Palästinenser kostenlos zu behandeln.

"Heute sagt der Arzt, komm morgen, und morgen sagt er dann übermorgen", ereifert sich Zahran Mishheba, der zusammen mit zehn weiteren Familien im Divan, dem Empfangsraum einer ägyptischen Großfamilie in Arish, Zuflucht gefunden hat. Verzweifelt zeigt er das Medikament, das sein Bruder benötigen würde, der vor wenigen Wochen eine neue Niere bekommen hat. Der überwiegende Teil der gestrandeten Palästinenser sind Rekonvaleszente. Dazu kommen einige Rückkehrer von der Umra, der kleinen Wahlfahrt in Saudi-Arabien, und Palästinenser, die im Ausland arbeiten und zu Hause ihre Ferien verbringen wollten.

Es flimmert über dem Asphalt

Am Grenzübergang selbst flimmert die Hitze über dem Asphalt. Es ist ruhig, nur einige Sicherheitskräfte sind zu sehen. "Wir sind zum Spielball der Politik" geworden, sagt eine junge Mutter. Alle sind sich einig, dass Israel und die USA die Hauptschuldigen an diesem Debakel sind. Viele sind überzeugt, dass mit dieser Blockade die Hamas gestraft werden soll und Ägypten dieses Spiel mitspielt.

Ägypten befürchtet, die Frustration der ausgesperrten Palästinenser könnte so groß werden, dass sie versuchen, den Übergang im Zentrum von Rafah mit Gewalt zu stürmen. Offenbar um den Druck zu mindern, gestattete Israel am Sonntag einer ersten Gruppe von 105 Palästinensern die Rückkehr über sein Staatsgebiet in den Gaza-Streifen. (Astrid Frefel aus Rafah, DER STANDARD, Printausgabe 30.7.2007)