Viele Inder halten sie für einen grandiosen Fehlgriff, eine skandalöse Fehlbesetzung. Dennoch wurde die 72-jährige Politikerin Pratibha Patil zur neuen Präsidentin Indiens gewählt - weil es Sonia Gandhi und ihre regierende Kongresspartei so wollten. Zwar ist das höchste Amt Indiens weit gehend zeremonieller Natur, aber Opposition und große Teile der Öffentlichkeit laufen seit Wochen Sturm.

In der Tat wurde wohl noch kein Anwärter auf das Präsidentenamt so kontrovers diskutiert. Noch beinahe moderat mutet das Verdikt der bekannten Autorin Shobhaa De an: "Pratibha Patil hat einfach nicht das Zeug für dieses Amt." Das Magazin India Today spricht von einer "beschämenden Wahl", die Zeitung Asian Age von einer "Katastrophe". Und The Tribune meint: "Eine solche Person als Präsidentin zu haben, ist furchterregend."

Patil war nicht Sonia Gandhis erste Wahl. Erst als die Linke sich gegen mehrere Kandidaten sperrte, zauberte sie Patil aus dem Hut - die bisherige Gouverneurin des Wüstenstaates Rajasthan war bis dato im Rest Indiens faktisch unbekannt. Seitdem werden immer mehr dunkle Flecken aus der Vergangenheit von Patil und ihrer Familie bekannt, die an ihrer Eignung für das Amt zweifeln lassen.

Eine von ihr 1973 gegründete Genossenschaftsbank für arme Frauen soll Verwandte Patils großzügig mit Krediten bedacht haben, von denen angeblich 400.000 Euro nie zurückgezahlt wurden. Der Bank wurde 2003 die Lizenz entzogen. Kleinanleger warten bis heute auf ihr Geld. Unklar ist auch der Verbleib von Geldern für eine von ihr geführte Zuckerfabrik, die pleite ging.

Ihr Mann Devihinh Shekhawar, der mehrere Schulen führt, schlägt sich mit einem Verfahren herum: Er soll einen Lehrer durch Mobbing in den Selbstmord getrieben haben. Ihr Bruder G.N. Patil soll gar in einen Mord verwickelt sein: Die Witwe eines Kongress-Politikers bezichtigt ihn, den Mord an ihrem Mann veranlasst zu haben. Der neuen Präsidentin wirft sie vor, deren Bruder zu decken.

Zum Gespött machte sich die Kandidatin zudem, als sie reklamierte, sie habe mit dem Geist eines verstorbenen Sektenführers gesprochen. Der habe ihr gesagt, dass eine "große Verantwortung" auf sie zukomme. Selbst hartgesottene Funktionäre der Kongresspartei rauften sich angesichts solcher Äußerungen die Haare.

Die Kongresspartei tat die Anwürfe gegen Patil als "Schlammschlacht" ab und hielt an ihr fest. Schon der 1984 ermordeten Premierministerin Indira Gandhi diente Patil ergeben. Nun steht sie in der Schuld von Sonia Gandhi. Das könnte bei den Wahlen 2009 entscheidend sein: Sollte keine Partei eine klare Mehrheit erringen, würde es der Präsidentin obliegen, eine Partei mit der Regierungsbildung zu beauftragen. (Christine Möllhoff/DER STANDARD, Printausgabe, 23.7.2007)