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Ufuk Uras kann trotz kultureller Unterschiede auf Stimmen hoffen

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Der unabhängige Kandidat Baskin Oran (Mitte)gehörte zu den Intellektuellen, die wegen Beleidigung des Türkentums angeklagt wurden.

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Istanbul - Ufuk Uras, unabhängiger linker Kandidat im Istanbuler Wahlkreis 1 auf der asiatischen Seite der Stadt hat zu einem politischen Frühstück in Dudullu eingeladen, und viele Freunde und Unterstützer sind gekommen. Das ist erstaunlich, denn es ist 8 Uhr 30, und Dudullu ist nicht gerade der Platz, an dem linke Intellektuelle normalerweise frühstücken gehen. Doch der immer milde lächelnde 48-jährige Professor für Ökonomie und Internationale Politik wird von den Händlern in ihren Gemüseläden, Handyshops und Bekleidungsläden für die islamische Frau freundlich und interessiert begrüßt. Die meisten hatten noch nicht von ihm gehört, doch wenn er die Arbeitslosigkeit beklagt und mehr öffentliche Investitionen fordert, klatschen sie begeistert.

Kurden wollen Kuras

Dudullu ist längst kein Slum mehr, sondern eine Ansammlung billiger Apartmenthäuser um einen zentralen Platz herum, auf dem als Ausdruck der ästhetischen Verfeinerung des Viertels eine Plastikpalme steht, doch das Viertel gehört immer noch zu den ärmsten der Stadt. Viele der Bewohner sind aus dem kurdischen Osten nach Istanbul gekommen. Ufuk Uras kann hier, allen kulturellen Unterschieden zum Trotz, durchaus mit einigen Stimmen rechnen, weil die kurdische DTP hier auf einen eigenen Kandidaten verzichtet hat und ihre Anhänger dazu aufruft, Uras zu wählen. Mit dieser Entscheidung dürfte der Professor, der eigentlich Vorsitzender der links-grünen ÖDP ist, bereits die Hälfte der 65.000 Stimmen, die er für den Einzug ins Parlament braucht, sicher haben.

Minderheiten: Hauptthema

Die Minderheiten des Landes sind auch das Hauptthema des unabhängigen linken Kandidaten, Baskin Oran. Als Politikwissenschafter publiziert er seit Jahren über Minderheiten und Nationalismus, im letzten Jahr gehörte er zu den Intellektuellen, die wegen Beleidigung des Türkentums angeklagt wurden. Bekannt wurde er aber bereits ein Jahr zuvor, als er im Auftrag der Regierung einen Bericht über die Situation der Minderheiten vorlegte, für den er von den Nationalisten massiv angegriffen wurde und dessen Empfehlungen Premier Recep Tayyip Erdogan fallen ließ wie eine heiße Kartoffel. Baskin Oran besucht die Prinzeninsel Kinalli, auf der viele Armenier leben, die ihn begeistert begrüßen. Ein kleiner Demonstrationszug formiert sich, die Leute stehen auf den Balkonen und klatschen, Bakin Oran ist hier ein Held. Er selbst hat erzählt, dass ihn die Ermordung des armenischen Journalisten Hrant Dink, mit dem er eng befreundet war, letztlich zu seiner Kandidatur bewogen hat.

Ufuk Uras und Baskin Oran werden bei den Wahlen weit über Istanbul hinaus stark beachtet. Sie füllen eine Lücke, die zwischen linken und rechten Nationalisten und islamischer AKP klafft. Gerade viele gebildete, westlich orientierte Türken fühlen sich weder von den einen noch von den anderen repräsentiert. „Wenn wir im Parlament als Unabhängige eine gute Arbeit machen, wird daraus vielleicht in Zukunft eine Regenbogenkoalition, die alle zusammenfasst, die mit der traditionellen türkischen Politik unzufrieden sind“, sagt Uras. (jg, DER STANDARD, Printausgabe, 21./22.7.2007)