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Auch wenn es einzelne Fans gibt: Als Person dürfte Deniz Baykal die niedrigsten Sympathiewerte aller türkischen Politiker haben.

Foto: AP Photo/Murad Sezer
Istanbul - Wenn Deniz Baykal redet, fällt einem die Metapher vom Maschinengewehr ein: Baykal redet nicht, er feuert seine Sätze als Salven ab. Derzeit gibt der Oppositionsführer in der türkischen Politik den Enthüller. Der letzte Schrei seiner Wahlkampagne ist die Armbanduhr von Premier Recep Tayyip Erdogan. Sie koste mindestens 43.000 Euro, behauptet Baykal und hofft so, die überwiegend arme Klientel der regierenden AKP gegen Erdogan aufzubringen.

Die kemalistische CHP setzt im Kampf gegen Erdogan im Endspurt vor den Wahlen voll auf das Thema Korruption. Ein Schiff, das Erdogans Sohn für 2,2 Millionen Euro gekauft haben soll oder 600 Wohnungen, die die Familie des Forstministers in den vergangenen Jahren angeblich zusammengerafft hat, sind die Enthüllungen, mit denen Deniz Baykal zu punkten hofft.

Keine eigenen Themen

Die Korruption ist in der Türkei immer ein Thema, aber es ist typisch für die CHP und ihren Chef, dass es ihnen im Wahlkampf nicht gelungen ist, wirklich eigene Themen zu finden. Als Person dürfte Deniz Baykal die niedrigsten Sympathiewerte aller türkischen Politiker haben.

Wenn er und seine Partei gewählt werden, dann nur aus einem Grund: Die Angst des Mittelstandes vor einer schleichenden Islamisierung, falls die AKP zu mächtig wird. Baykal ist ein Parteiapparatschick. Er hat in den vergangenen Jahren verhindert, dass sich gegen die AKP eine Opposition formieren konnte, die die Partei erfolgreich da angreift, wo ihre Schwächen liegen – beim neoliberalen Kurs der Regierung. Die CHP hat der AKP kein anderes Wirtschafts - und Gesellschaftskonzept entgegensetzen können.

Nationalistische Parolen

Der Europakurs der AKP wurde mit nationalistischen Parolen kritisiert, und zu den Kurden fällt Baykal nichts anderes ein, als zu fordern, dem Militär freie Hand für einen Einmarsch im Nordirak zu geben. Damit wetteifert er mit der rechtsradikalen MHP, die ebenfalls gute Chancen hat, die Zehnprozenthürde zu überspringen. Ziel der CHP ist eine nationalistische Koalition mit der MHP, um die AKP abzulösen. (Jürgen Gottschlich aus Istanbul, DER STANDARD, Printausgabe 20.7.2007)