Stuttgart - 30 Jahre nach dem Deutschen Herbst 1977 will das Schauspielhaus Stuttgart mit dem Projekt "Endstation Stammheim" die Vergangenheit der terroristischen Roten Armee-Fraktion (RAF) auf die Bühne bringen. In insgesamt 72 Aufführungen, Ausstellungen und Lesungen sollen sich Künstler und Zuschauer drei Wochen lang mit Themen wie Freiheit, Gewalt und Widerstand auseinander setzen. "Das komplette Haus ist in dieses Projekt integriert", sagte Intendant Hasko Weber bei der Vorstellung am Mittwoch in Stuttgart.

Die Projektwochen starten am 21. September mit der Ausstellung "Herbstbilder", die 30 Fotografien von RAF-Schauplätzen zeigen soll. Für die folgenden Abende sind unter anderem die Bühnen-Uraufführungen von Rainer Werner Fassbinders Film "Die dritte Generation", von dem Roman "Mogadischu Fensterplatz" sowie des Theaterstücks "Liebe ist kälter als das Kapital" von Regisseur Rene Pollesch geplant.

"Bedarf, über das Thema zu kommunizieren"

Bis zum 18. November finden in Stuttgart zudem zahlreiche weitere Aufführungen, Lesungen und Bühnengespräche statt - zum Beispiel mit dem Stuttgarter Alt-Oberbürgermeister Manfred Rommel, dem Zeitzeugen Peter O. Chotjewitz und mit Ulrike Thimme, deren Sohn in den Siebzigern von einer selbst gebastelten Bombe getötet wurde.

"Bei den Recherchen haben wir gemerkt, dass es in der Stadt einen extremen Bedarf gibt, über das Thema zu kommunizieren", sagte Chef-Dramaturg Jörg Bochow. Persönliche Erfahrungen und Wissen, das verschüttet und brach liege, sollen mit dem künstlerischen Projekt geöffnet und zur Sprache gebracht werden, so Bochow. Zudem sollten besonders junge Leute dazu angeregt werden, sich aktiv mit Themen wie Demokratie und Widerstand auseinanderzusetzen.

Man habe allerdings bewusst darauf verzichtet, Opfer und Täter aus der Zeit auf die Bühnen zu laden, sagte Bochow. Die Geschichte der RAF solle auf künstlerischer Ebene aufgearbeitet werden - spektakuläre, medienwirksame Diskussionen sowie eine Fixierung auf bestimmte Personen sollen dabei vermieden werden.

Vor 30 Jahren war der Arbeitgeberpräsident Hanns Martin Schleyer von der RAF ermordet worden; die deutsche Spezialeinheit GSG 9 stürmte in Mogadischu eine von RAF-Sympathisanten entführte Lufthansa-Maschine, und mehrere RAF-Anführer begingen nach dem gescheiterten Freipressungsversuch im Gefängnis Stammheim Selbstmord. (APA/dpa)