Ein glückloser Erfinder hat einen Geistesblitz:Kaninchen Adalbert geht mit seinen Ideen baden.

Foto: Filmladen
"Lotte im Dorf der Erfinder" erinnert auch daran, dass lokale Traditionsunternehmen mit globalen Cartoon-Fabriken durchaus mithalten können.


Wien – Die Kaninchen verlangen Süßes. Aufgereiht wie die Orgelpfeifen auf einem gut gepolsterten Sofa, interessieren sie sich wenig für die technische Vorführung ihres Artgenossen Adalbert, dafür umso mehr für das kulinarische Rahmenprogramm. Die Maulwürfe haben derweil die U-Bahn genommen – mysteriöse Vorgänge oberhalb ihres holzvertäfelten altenglischen Herrenzimmers haben sie diesen Schritt setzen lassen. Ein mächtiger Rote-Rüben-Luster kann schließlich nicht von selbst verschwinden.

In dieser buchstäblich liebevollst ausgemalten Kunstwelt ist auch die Heldin dieses Films zu Hause, der sich in erster Linie (aber nicht nur) an ein sehr junges Publikum richtet: ein weibliches Hundekind namens Lotte, das mit seinen Eltern im Dorf der Erfinder wohnt.

Dort messen sich nicht nur gerade die Bewohner mehr oder weniger erfolgreich im alljährlichen Wettstreit der technischen Innovatoren: Ein Neuankömmling aus Fernost weiß außerdem mit einer unbekannten Sportart zu begeistern. Nicht nur auf der Judomatte werden sympathische Werte wie Teamfähigkeit und Fairness hochgehalten.

Schließlich gilt es auch noch einen Hasenjungen zu integrieren, dessen einsame Imitationen von freundschaftlicher Geselligkeit wohl nicht nur Kinderherzen rühren. Und während dieser Tage alle Aufmerksamkeit auf das Kinodebüt der patenten Familie Simpson gerichtet ist, sollte man nicht ganz übersehen, dass hier eine weitere TV-Serienheldin den Sprung auf die Leinwand gewagt hat.

Filmzeichenkunst

Im Jahr 2000 haben die Filmemacher Heiki Ernits und Janno Pöldma die preisgekrönten Kurz-Cartoons "Lotte Journey South" gestartet, die auch im Kabelkanal Kika zu sehen waren. 2005 wurde "Lotte im Dorf der Erfinder /Leiutajataküla Lotte" fertig gestellt, inzwischen wird bereits an einem weiteren Langfilmabenteuer des Hundemädchens gearbeitet ("Lotte and the Moon Rocket Secret").

Aus diesem Anlass sei weiters darauf hingewiesen, dass sich im Baltikum – in der Wahrnehmung häufig von Cartoon-Großmächten wie den USA oder Japan überschattet – schon seit den 1930er-Jahren eine vielfältige Animationsfilmtradition entwickelt hat. So ist das estnische Tallinn nicht nur der Geburtsort der Filmemacher Ernits und Pöldma. Auch der international wohl bekannteste Filmzeichenkünstler der Region, Priit Pärn, kam 1946 dort zur Welt.

Er hat seit den 80er-Jahren und noch zu Sowjetzeiten vorgemacht, wie sich die reichhaltigen, ambivalenten, hintersinnigen Ausdrucksmöglichkeiten innerhalb der gezeichneten Weltentwürfe auch für politische Interventionen nützen lassen. Wie Heiki Ernits – den diese Betätigung einst seinen Studienplatz an der Moskauer Filmschule kostete – und andere kam er übers Zeichnen von Karikaturen zum bewegten Bild.

Und die zeichnerischen Qualitäten machen heute, wo auch in den estnischen Joonisfilm-Studios längst mit Computerunterstützung (aus Großbritannien) gearbeitet wird, noch immer die Besonderheit und den Charme der Arbeiten aus. Egal, ob es sich dabei um international gefeierte Autorenfilme in der Tradition von Pärns "Frühstück im Grünen" (1987) handelt. Oder eben um Zeichentrickfilme für Kinder voller wunderlicher, eigenwillig profilierter Wesen in hingebungsvoll ausgestalteten Dekors.

Vielleicht ist das Kaninchen Adalbert ja sogar als Hommage an Priit Pärns bevorzugte Tierdarsteller gedacht – immerhin hat Janno Pöldma als Kameramann an einigen Arbeiten des renommierten Kollegen mitgewirkt. In jedem Fall gehören die Auftritte des von ungesundem Ehrgeiz getriebenen –und überdies gänzlich unbegabten – blauäugigen Hasen in "Lotte im Dorf der Erfinder" mit zum Lustigsten, was Filmanimateuren seit den Abenteuern von Wallce, Gromit und Co. eingefallen ist. (Isabella Reicher / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 19.7.2007)