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Kardinal Roger Michael Mahony entschuldigte sich für Kindesmissbrauch

Foto: Reuters/Al Seib
Jahrzehntelang schwieg er zu Missbrauchsvorwürfen gegen Priester in seiner Diözese Los Angeles. Jetzt entschuldigte sich Kardinal Roger M. Mahony öffentlich, die Opfer bekommen Rekordsummen an Entschädigung. Der Deal steht schwer unter Kritik.

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Los Angeles - Dafür, dass er Kinderschänder lange deckte, statt die Wahrheit ans Licht zu bringen, klingt Roger Michael Mahony fast schon scheinheilig. "Es gibt leider keine Möglichkeit, die Uhr zurückzudrehen und den Opfern die Unschuld wiederzugeben, die ihnen genommen wurde", bedauerte er schon am Sonntagabend bei einer öffentlichen Entschuldigung in der Kirche.

Zu Wochenbeginn hätte der Erzbischof von Los Angeles eigentlich vor Gericht erscheinen sollen, um Rede und Antwort zu stehen in einem spektakulären Prozess. Dort erschien er dann auch, aber nur um sich den Segen für einen Deal zu holen, den er zuvor in stillen, zähen Verhandlungen geschlossen hatte. 15 fällige Verfahren wurden in letzter Minute abgebogen, wahrscheinlich hätten sie die katholische Kirche der kalifornischen Metropole in ihren Grundfesten erschüttert.

Um Pädophilie sollte es gehen, um Priester, die Minderjährige in 508 Fällen sexuell missbraucht hatten, das erste Mal in den 1940er-, das letzte Mal in den 1990er-Jahren.

Mahony stoppte die juristische Aufarbeitung bevor sie beginnen konnte. Um den Schaden zu begrenzen, erklärte er sich bereit, den Opfern 660 Millionen Dollar (knapp 480 Millionen Euro) zu überweisen. Eine Rekordsumme. Sie stellt alles in den Schatten, was die USA bisher in solchen Zusammenhängen kannten. Nach einem Pädophilen-Skandal in Boston, 2002 publik geworden, hatte der Klerus umgerechnet 114 Millionen Euro locker gemacht, um einen peinlichen Prozess zu vermeiden. Peanuts, wenn man es an Mahonys Deal misst. Versicherung zahlt

Je nach Schwere des Vergehens muss seine Diözese nun umgerechnet zwischen rund 72.000 und drei Millionen Euro für jeden Betroffenen bezahlen. Dazu muss sie Immobilien verhökern. Ein Drittel zahlt die Versicherung, die man extra abgeschlossen hatte, um Klagen wegen Kindesmisshandlung vorzubeugen.

Der Bischof und die gequälten Kinder - es ist eine Geschichte des Verschweigens, des Wegschauens, der späten Reue. Nach allem, was die Gepeinigten zu Protokoll gaben, soll Mahony früh Bescheid gewusst haben. Zum Beispiel soll er gewusst haben, dass sich Oliver O'Grady, einer seiner Untergebenen, systematisch an Heranwachsenden verging, angeblich sogar an einem neun Monate alten Baby.

1984, als Detektive Beweise gegen O'Grady sammelten, versprach Mahony, ihn aus dem Verkehr zu ziehen, falls die Ermittlungen eingestellt würden. Dann aber versetzte man O'Grady nur in einen anderen Pfarrbezirk, wo er weiter Minderjährige belästigte.

Mahony seinerseits kletterte auf der Leiter nach oben. 1985 kürte ihn Papst Johannes Paul II. zum Erzbischof von Los Angeles, womit er ihm eine der größten und reichsten Diözesen der USA anvertraute. Weniger nett verhielt sich die Presse. Weil nie etwas hängen blieb an ihm, weil jeder Vorwurf an ihm abperlte, nennt ihn die Los Angeles Times nur noch den "Teflon-Kardinal".

Kein Wunder, dass der Vergleich, den Mahony jetzt mit den Klägern schloss, heftigen Streit aufflackern lässt. Für manche ist er ein symbolisches Eingeständnis von Schuld, "der erste Schritt einer Heilung", wie es der Rechtsanwalt Raymond Boucher formuliert. Für andere dagegen ist er eine Farce, die falsche Geste: pekuniär teuer, moralisch billig.

Depressionen

"Sie können eine verlorene Kindheit, ein Leben mit einem Trauma nicht einfach mit einem Dollarzeichen versiegeln", sagt Carlos Perez-Carillo, heute 41 Jahre alt, als Bub missbraucht. Der 44-jährige Tony Almeida macht für vieles, was in seinem Leben schief ging, Clinton Hagenbach verantwortlich, einen inzwischen verstorbenen Geistlichen, der ihn und andere Chorknaben vergewaltigte. Depressionen, Alkoholismus, zwei zerbrochene Ehen: "Mein Leben ist ein einziges Schlamassel", erzählte der Feuerwehrmann dem Fernsehsender ABC. Das Geld, das er kassiert, sieht Almeida als willkommene Entschädigung für das, was er durchmachen musste. "Aber ich denke immer noch, dass die Kirche zur Rechenschaft gezogen werden muss." (Frank Herrmann, DER STANDARD Printausgabe, 18.7.2007)