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Streitfrage: Dürfen Skifahrer dem Gletscher nahe kommen?

Foto: ap
Vor zehn Jahren ist hier das Gipfelkreuz in die Gletscherspalte gestürzt.

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Innsbruck/Kaunertal - "Eine vergleichbare Bergbewegung gab es in Europa bisher noch nicht", sagte im Oktober 1997 der Innsbrucker Geologe Bernhard Lackinger. Im hinteren Tiroler Kaunertal war die Nordflanke der 3410 Meter hohen Weißseespitze in den Ötztaler Alpen um 60 Meter abgesackt, das Gipfelkreuz war in der Gletscherspalte verschwunden. Mehr als 300 Quadratmeter eisbedeckter Fels waren in Bewegung geraten. Lifte des darunter liegenden Skigebietes wurden vorübergehend gesperrt. Zum befürchteten Felssturz von ein paar Millionen Kubikmeter Masse kam es nicht.

Mittlerweile häufen sich die Ereignisse von schmelzendem Permafrost, der dauerhaft gefrorenen Eis- und Felsböden. Auch in an Alpen. Jüngst erneut im hinteren Kaunertal. Seit Wochen hält dort der rutschende Bliggferner (3454) die Landesgeologen auf Trapp.

Beruhigungsversuch

Dennoch halten die Kaunertaler Bergbahnen an ihrem Projekt fest, bei der Weißseespitze die höchste Seilbahnstation Österreichs zu errichten. "Der Berg ist zur Ruhe gekommen", ist Marketingleiter Stefan Richter bemüht, zu beruhigen. Der angrenzende Gepatschferner, größter Gletscher der Ostalpen, ist bisher unberührt. Nach zahlreichen Protesten der alpinen Verbände gegen eine Erschließung, soll nun die Weißseespitze selbst nicht mehr tangiert werden. Die Kaunertaler Bergbahnen wollen die Bergstation nicht mehr am Gletscher, sondern 100 Meter daneben errichten. "Da die Gletscher weiter zurückgehen, planen wir jetzt die Bergstation in felsigem Gelände", so Richter. Vor allem aber sei die Bahn nur noch als "reine Ausflugsbahn" geplant. Das hieße: Die Kaunertaler Bergbahnen hätten sich vom Projekt eines Skigebiets auf dem neuen höheren Gletscherplateau verabschiedet. Richter: "Das ist vorerst kein Thema."

Peter Haßlacher, Raumplaner im Alpenverein, spricht von einer "Mogelpackung". Seit mehr als 20 Jahren sei die Erschließung des Gepatschferners geplant. Deshalb sei auch ein Teil des Ferners vom Ruhegebiet Ötztaler Alpen ausgenommen worden. Aber eine "Neuerschließung" ist rechtlich nicht möglich. Das neue Projekt einer Aussichtsbahn, so Haßlacher, solle dazu dienen, "eine Bresche zu schlagen". Wird der Gletscher nicht berührt, sei wohl keine Umweltverträglichkeitsprüfung nötig. Dennoch sieht Haßlacher "keine Chance", dass das Projekt genehmigt wird. Denn das Tiroler Raumordnungsprogramm 2005 verbietet auch dann den Bau einer Seilbahn, wenn sie vom Ende einer öffentlichen Straße aus in nicht-erschlossenes Gelände führt. (Benedikt Sauer/DER STANDARD-Printausgabe, 17.7.2007)