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Kandidat für "einen fantastischen Job": der konservative Boris Johnson.

F.: Reuters/Melville
London – Als Brüssel-Korrespondent des Daily Telegraph brachte Boris Johnson seine Heimatredaktion stets zur Verzweiflung, indem er Artikel erst in letzter Minute lieferte. Als – inzwischen ausgeschiedener – Chefredakteur der Intellektuellen-Postille Spectator, erregte er Aufsehen durch lustige Artikel und brillantes Marketing. Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit aber gehören bis heute eher nicht zu den Stärken des Vaters von vier Kindern, der seit 2001 den edlen Wahlkreis Henley bei London im Unterhaus vertritt.

Seinem Image als liebenswerter Chaot blieb der Mann mit dem weißblonden, ungekämmt zu Berge stehenden Haarschopf auch am Montag treu: Erst kurz vor Ablauf der Frist verkündete Johnson (43) seine Kandidatur für "einen fantastischen Job": das Amt des Bürgermeisters von London. "Die Gelegenheit ist toll, der Preis wäre wunderbar", schwärmte Johnson im Evening Standard.

Die Aussicht auf einen unterhaltsamen Wahlkampf entzückt die stets für hübsche Johnson-Anekdoten empfängliche Boulevard-Presse. Erleichterung herrscht auch bei den Konservativen, schließlich drohte die seit Monaten vergebliche Suche nach einem Kandidaten für den wichtigsten kommunalpolitischen Job des Landes zum Fiasko zu werden. Der frühere höchste Polizist des Landes, der Ex-Intendant der BBC und der frühere Premierminister John Major: Alle erteilten sie Parteichef David Cameron eine Absage.

Der Grund für die Zurückhaltung: Der 62-jährige Ken Livingstone. Seit sieben Jahren amtiert der frühere Linksaußen pragmatisch und erfolgreich im Londoner Rathaus. Weil Livingstone die City-Maut einführte und den öffentlichen Nahverkehr fördert, bleibt er populär. Allerdings explodieren die Olympia-Kosten, und auch Livingstones Förderung von Hochhäusern ist zunehmend umstritten. Bei den vergangenen Bezirkswahlen erzielten die Tories erhebliche Zugewinne.

Ob Johnson dies aber in persönliche Stimmen ummünzen kann? Dass er es mit der ehelichen Treue nicht immer ganz genau genommen hat, werden ihm die liberalen Londoner weniger übelnehmen als der damalige Tory-Chef, der ihn deshalb 2004 aus dem Schattenkabinett warf. Abfällige Bemerkungen über die Bewohner von Liverpool ("übertrieben rührselig") und Portsmouth ("zu dick und voll von Drogen") tragen in der Hauptstadt zum Amüsement bei. Als bildungspolitischer Sprecher gewann der Absolvent der Elite-Uni Oxford die Herzen der Studierenden. Skeptiker sprechen jedoch von einem Mangel an konkreten Politik-Ideen.

Gekürt wird der Tory-Kandidat diesmal in einer Primary nach amerikanischem Vorbild, das Ergebnis steht vor dem Parteitag der Konservativen im September fest. Mal sehen, ob Boris Johnson wenigstens zu diesem Termin pünktlich erscheinen wird. (sbo/DER STANDARD, Printausgabe, 17.7.2007)