Den Spar-Markt in St. Florian schaukeln die 14 Jugendlichen mit der Unter-stützung von sechs Verkäuferinnen.

Foto: STANDARD/Rohrhofer

Die Jugendlichem mit Handicap erhalten dort eine Ausbildung - und die Kunden haben keinerlei Berührungsängste.

Foto: STANDARD/Rohrhofer
In St. Florian in Oberösterreich betreibt die Caritas seit drei Wochen einen Spar-Supermarkt, der mehr als nur ein Nahversorger ist. 14 Jugendliche mit Handicap erhalten dort eine Ausbildung - und die Kunden haben keinerlei Berührungsängste.

***

St. Florian - Ein Kornweckerl mit Sesam, darin Leberkäse, dünn aufgeschnitten und verfeinert mit einem Essiggurkerl. Selbiges aber bitte zwischen der Wurst platziert um das knusprige Weckerl nicht zu erweichen. Zugegeben, eine solche Bestellung an der "Wurschtbudl" birgt ein gewisses Fehlerpotenzial in sich, essenzielle Details können da in der Hektik eines Verkäuferlebens schon einmal untergehen. An besonderer Raffinesse scheint der Weg zum Leberkäsweckerl aber zu gewinnen, wenn die Verkäuferin hinter der Feinkost-Bar gehörlos ist.

"Aber geh, für mich ist doch so was kein Problem", lächelt Danijela Nikolic. Die 17-Jährige ist gehörlos und arbeitet in der Feinkost im Spar von St. Florian bei Linz. Der Einkaufsmarkt erfüllt aber weit mehr als seine Nahversorgerpflichten. Mit 20. Juni hat die Caritas Oberösterreich die Filiale quasi als Einzelhändler vom Einkaufsriesen übernommen. Ziel ist es, jungen Menschen mit Beeinträchtigung einen Ausbildungsplatz zu bieten. "Derzeit arbeiten 14 Jugendliche bei uns", erläutert Wolfgang Scheidl, Ausbildungsleiter der Caritas Oberösterreich für Menschen mit Behinderungen. Begleitet und unterstützt werden die Verkäufer mit Handicap von sechs Spar-Verkäuferinnen und drei Behindertenbetreuern.

Sensible Wahl

Die 14 Verkäufer befinden sich derzeit in einer Art Probezeit. "Im September geht es dann mit der eigentlichen Ausbildung los. Wir müssen bei der Auswahl sehr sensibel vorgehen und uns genau anschauen, wer für eine Lehre oder Anlehre geeignet ist", schildert Scheidl. Geeignet scheinen sie alle zu sein, wie ein Standard-Lokalaugenschein zeigt. "In diesem Spar-Markt erhalten Jugendliche mit Beeinträchtigung eine Ausbildung. Für Sie bedeutet das ein Mehr an Service und freundlicher Atmosphäre", werden Kunden durch ein Schild bereits am Eingang auf die Integration zwischen Regalen hingewiesen.

"Des stimmt, seitdem die des machen, ist des Einkaufen da ein Traum", ist Klara Ebner begeistert. "Wir fahren nur mehr da her", setzt ihr Mann Johann nach. Beim Brot wird derweil heftig gestikuliert. Paula Ortner ordert bei Danijela Nikolic Gebäck für ihre Familie. Ob es den Einkauf viel komplizierter macht, wenn man ob der Gehörlosigkeit des Gegenübers ganz langsam sprechen muss und der Fingerzeig unverzichtbar wird? "Wenn sie mich jetzt nicht darauf aufmerksam gemacht hätten, hätte ich es nicht bemerkt. Ich zeige schon ganz automatisch auf die Sachen, die ich will", erzählt die Stammkundin.

Kunden zufrieden

Derweil sucht ein älterer Herr hörbar genervt nach einer Packung Kamillentee. "Drittes Regal, ganz links" - Christian ist bei solchen Anfragen immer schnell zur Stelle. Der 18-Jährige leidet an dem so genannten Asperger-Syndrom, einer Form von Autismus. "Wir sind sicher der Supermarkt mit der besten Regalbetreuung. Christian hat alles im Kopf und vor allem sind die Artikel ganz fein säuberlich eingeordnet", schmunzelt Scheidl. Die Tätigkeitsfelder für den jungen Mann seien aber eingeschränkt. "An der Kassa oder bei der Feinkost wird es für Christian schwer, weil er Probleme hat, auf Menschen zuzugehen", so Scheidl.

Die Kunden seien jedenfalls zufrieden. "Es gibt kaum Berührungsängste, und die Kunden nehmen auch gerne in Kauf, dass es halt manchmal ein bisschen länger dauern kann", erklärt Ausbildungsleiter Scheidl. Mitleid wolle man mit dem österreichweit einzigartigen Projekt nicht erregen. "Die Kunden kommen zu uns zum Einkaufen und nicht zum Behindertenschauen", sagt Scheidl. Im Vordergrund stehe die optimale Versorgung der Einkäufer. "Die jungen Menschen arbeiten hart und sind tagtäglich wirklich gefordert. Aber es macht ihnen allen Spaß und die Integration zwischen Wurst und Obst bringt beiden Seiten enorm viel", ist er überzeugt. (Markus Rohrhofer/DER STANDARD; Printausgabe, 14./15.7.2007)