Linz/Klagenfurt – "Meine Mandantin wird dem Gericht Rede und Antwort stehen", kündigt Verteidiger Helmut Blum an. Die 53-Jährige will zum Vorwurf der Verwahrlosung ihrer drei Kinder Stellung beziehen. Der Fall hatte im Februar in Linz für große Aufregung gesorgt. Inmitten einer der besten Wohngegenden unterhalb des Pöstlingberges soll sich in einer Akademikerfamilie kaum Vorstellbares zugetragen haben. Selbst Jugendamt und Schulbehörde wollten nichts bemerkt haben. Jahrelang soll die Mutter die Mädchen fast gänzlich von der Außenwelt abgeschirmt haben.

"Wegen Quälen und Vernachlässigen von Unmündigen" sitzt sie heute, Freitag, am Klagenfurter Landesgericht auf der Anklagebank. Da der Vater Richter am Linzer Oberlandesgericht ist, wurde der Fall nach Kärnten delegiert. Die studierte Juristin soll laut Staatsanwaltschaft in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingeliefert werden. Die Schöffen müssen darüber entscheiden, ob die Angeklagte "zeitlich unbefristet" eingesperrt wird oder nicht. Die Beschuldigte werde "einen Antrag auf Enthaftung stellen", sagt Blum.

Seit der Scheidung Ende der 90er-Jahre lebte die Mutter mit ihren drei Mädchen allein im Haus. Von Jahr zu Jahr verhielt sich die Frau sonderbarer, fiel zumindest den Nachbarn auf. Als die zwei jüngeren Kinder nur mehr unregelmäßig zur Schule kamen, wurde das Jugendamt eingeschaltet. Die Familie erhielt eine sozialpädagogische Betreuung, dennoch verschlechterte sich die Lebenssituation der Mädchen. Erst als ein Nachbar dem Bezirkshauptmann mit einer Amtshaftungsklage drohte, sei es plötzlich ganz schnell gegangen. Die total verstörten Kinder wurden nach fünf Jahren der zunehmenden Vereinsamung aus dem verdreckten Haus befreit und in ein Therapiezentrum nach Kärnten gebracht.

Noch ist nicht geklärt, ob sich nicht auch Behörden in dem Fall etwas zu Schulden haben kommen lassen. Die Ermittlungen wegen einer strafrechtlichen Verantwortung sind noch im Gange, sagt der Sprecher der Staatsanwaltschaft Klagenfurt. Die Mädchen befinden sich auf dem langen Weg zurück in die Normalität. Für die 20- und 18-jährigen Töchter werden in Oberösterreich Plätze für betreute Wohnformen gesucht. Die 15-Jährige zieht zum Vater. (Kerstin Scheller, DER STANDARD - Printausgabe, 13. Juli 2007)