George Thomas And The Owls: "Concert For Two Bicycles"
(Red Deer Club/Soulseduction 2007)

"Ich schreibe und singe Lieder. Ich hoffe, ihr mögt sie. Ich habe ein paar Alben aufgenommen. Derzeit ist nur eines erhältlich. Ende des Jahres gib's mehr. In der Zwischenzeit bin ich verfügbar für das Fällen, Stutzen und Pflanzen von Bäumen."

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George Thomas über George Thomas. Ah, ja. Exzentrischer Insulaner. Denkt man. Und liegt damit wohl nicht ganz daneben. Das erwähnte, zugängliche und aktuelle Werk heißt Concert For Two Bicycles. Es wurde angeblich teils in einem Appartement in der Nähe eines Bahnhofes von Manchester, teils in einem Gartenschuppen im Peak Distrikt aufgenommen. Angeblich? Gesicherte Fakten sind allerdings rar. Immerhin wird auch behauptet, Thomas sei Holzfäller in dieser zwischen den Agglomerationen von Sheffield und Manchester gelegenen Moor- und Berggegend. Von ihm selbst etwa. Fest steht immerhin, dass die CD, die bei manchen Songs knistert wie eine Vinylplatte, auf dem kleinen Label Red Deer Club erschienen und dessen erste offizielle Veröffentlichung ist. Als rühriger Veranstaltungsort hat sich der Klub schon zuvor einen guten Ruf und regionale Bedeutung in der Folkszene Nordwest-Englands erworben.

"I'm in love with half of the world,
but I don't know what to do about it"

Folk also. Aber einer der abgefahreneren Sorte. Strangeways, here we come. Thomas besingt mit rachitischer Stimme leise eigenartige Merkwürdigkeiten und merkwürdige Eigenartigkeiten. Immer in Gefahr, gänzlich zu ersterben, tastet sie sich durch die Songs. Aber welche sind das! Müde, an der Grenze der Desintegration schleppen sie sich dahin. Von einem Erschallen kann dabei kaum die Rede sein. Sie drängen nicht darauf, gehört zu werden, wie ein Kritiker treffend anmerkte, sondern geben sich mit der bloßen Möglichkeit zufrieden, unerwartet in das eine oder andere Ohr zu kippen.

Eine schüchterne Zupfgitarre oder ein schlurfendes Schlagzeug halten mehr schlecht als recht eine Art von Bewegung aufrecht. Im in dieser Hinsicht paradigmatischen "Cruelty Blues" kann sich die schläfrige Band nur mit äußerster Mühe dazu entschließen, für die jeweils nächste Strophe doch noch einmal so etwas wie Fahrt aufzunehmen. Ganz so, als hätte Thomas seine Mannen nach langen anstrengenden Wanderungen über Stock und Stein der Peaks noch zu den Aufnahmesessions gebeten. Aufrecht gehalten von Unmengen geleerten Tees. Der der gesamten Unternehmung eigene Heimwerkelcharakter verleiht ihr eine derartige Unmittelbarkeit, dass man die fleckigen Tassen geradezu vor sich sieht. Und fast möchte man sogar ein bisschen erschauern, wegen der ewigen Klammheit britischer Zimmer.


Zum Reinhören: >>> "Man On A Galloping Horse"

Bezüglich seiner dezenten Begleit-Combo, den Owls, legt Thomas offenbar eine ebensolche improvisatorische Unbekümmertheit an den Tag. Wen er aufliest, kann mitmachen, gespielt wird auf Instrumenten, die gerade vorhanden sind. Eine Taktik, die besonders bei Live-Auftritten zur Anwendung gelangt. Auf Concert sind jedenfalls vier Mann mit von der Partie und bedienen Banjo, Harmonika und Bass. Thomas selbst steuert neben Gitarre auch noch Harmonium, Melodica, Akkordeon und Löffel bei. Zusammen erzeugt man mit Geschrubbe und Geplinke eine ebenso Dezibel-schwache wie kongeniale Unterfütterung der Verschrobenheit, die manche Überraschung parat hält und unversehens auch einmal auf Country & Western macht. Undurchdacht wirkt das dann auch wieder nicht.

"Life is tough and that's a fact.
There is no need to make it any harder"

Und die Langsamkeit hat natürlich Vorzüge. Was andernfalls wohl kaum das Zeug zur Aufälligkeit besäße, bekommt seine Chance. Und in den Genuss ausführlicher Beschäftigung und Wertschätzung, wird auf alle Seiten gedreht, betrachtet, bedacht, befühlt: I stumble trough/ like a dead kangaroo. But I see things/ a man on a galloping horse/ won't see. Nach vorne geht nicht viel, aber die Zukunft kommt ohnehin von selbst.

Muße eines Mannes, der in sich ruht, auch wenn bei weitem nicht alles rosig ist. Und der mangels Alternativen schon einmal der Eisenbahnbrücke beim Rosten zusieht. Kenner der Grenzen. "Es ist eine Schönheit in dieser Traurigkeit, aber ich kann nicht genau sagen wo", näselt der tiefgründige Thomas. Und klingt dabei, als habe er sich im Wald einen ordentlichen Schnupfen gefangen. Er murmelt, selbstvergessen vor sich hin schwärmend, von seiner Liebe zu Kuchen und Torten ("Cakes, Pastries and Patisserie") oder erzählt ausführlich von den Fährnissen, die einem harmlosen Ausflügler beim Versuch widerfahren können, ein belegtes Brot zu verspeisen ("Picnic Spot Blues"). Kuriositäten aus dem Skizzenfach.

Naiv? Und ob. Aber man soll die Weisheit des kindlichen Gemüts nicht unterschätzen. George Thomas weiß, wie der Kosmos tickt. Berührend. Und etwas irritierend. (Michael Robausch)