Frühes Schlüsselwerk: A. R. Pencks "Großes Weltbild" aus dem Jahr 1965.

Foto: Schirn Frankfurt
... eine Gelegenheit, vor allem das weit verstreute Frühwerk konzentriert an einem Ort zu erleben.


Wie wenige andere steht A. R. Penck für die Erneuerung der Malerei in Deutschland. Bereits in der DDR thematisiert er immer wieder die Beziehung zwischen Individuum und Gesellschaft. Nach seiner Ausbürgerung 1980 schafft er mit seinem unverwechselbaren Stil aus abstrahierten Figuren und Bildzeichen ein universales Vokabular, in dem die Erinnerung an den Beginn der Malerei mit der aktuellen Zeitgeschichte und der modernen Naturwissenschaft zu einer einprägsamen Bildwelt verschmilzt.

Diese erste Retrospektive in Deutschland nach 20 Jahren zeigt Pencks Werk vor dem Hintergrund veränderter gesellschaftlicher und kunstimmanenter Kontexte und Rezeptionsweisen. Mit rund 130 großformatigen Gemälden, Skulpturen und Objekten von 1961 bis heute präsentiert die Ausstellung den Künstler mit seinen wichtigsten Themen und Werkgruppen. Eine Besonderheit bildet eine Auswahl von etwa 70 Künstlerbüchern, die auch den Zeichner Penck vorstellen.

Dass Penck, 1939 als Ralf Winkler in Dresden geboren, Mitte der 1960er-Jahre unter Zusatz von R. (Ralf) im Vornamen als erstes und bis heute gültiges Pseudonym den Geologen und Eiszeitforscher Albrecht Penck (1858–1945) gewählt hat, wurde oft auch als Kommentar zum Kalten Krieg gedeutet. Der zweite Bezugspunkt sind die Parallelen zwischen Pencks Zeichenwelt und den Bildfindungen der Höhlenmalerei der Eiszeit. Er begründete seine Wahl – der später noch Pseudonyme wie Mike Hammer, Mitchel Hammer, Tancred Mitchell sowie mathematische Zeichen wie a Y (a.r. penck) folgten – damit, dass er eine gewisse Analogie zwischen "abgelagerter Information und Geologie" gesehen habe. Der archäologische Rückgriff habe seine Malerei wesentlich befruchtet und beeinflusst.

Nachdem Penck bereits Ende der 1950er-Jahre eigene Wege jenseits von traditioneller Kunst und sozialistischem Realismus gesucht hatte, entstanden ab 1961 die so genannten "Weltbilder", die bereits die zweidimensionalen reduzierten und anonymen "Strichmänner" zeigen. Es sind Versatzstücke seines Interesses an prähistorischer Malerei, eine Kombination aus Figuration und Abstraktion, die zu seinem Markenzeichen werden sollte.

Auf seinem ersten "Weltbild", das er als modernes Historienbild beschreibt, ist eine Gruppe von Individuen dargestellt, Schilder mit mathematischen Formeln werden hochgehalten, es wird gekämpft, umarmt, marschiert, Waffen werden gezückt. Trotz der Deutlichkeit und Wiedererkennbarkeit mancher Szenen und Symbole ist die Lesart alles andere als eindeutig.

Penck erzählt keine Bildergeschichten, sondern verknüpft in seinen komplexen Kompositionen stets Individuelles und Allgemeines zu zeitlosen Wahrheiten. Der Informationsbegriff sowie die Theorie des abstrakten Automaten gewinnen ab den 1960er-Jahren eine immer größere Bedeutung für Penck. Ebenso wichtig wird die Sprache der Kybernetik mit ihrem hohen Abstraktionsgrad und dem Begriff des Systems.

Penck heute: "Das ist alles in meine Malerei eingeflossen und brachte mich dazu, über Bildlogik nachzudenken und praktisch zu experimentieren. Das hat mich zum 'Standart'-Begriff geführt, zu zahlreichen Versuchen über Zeichen und Zeichenräume und den Signalcharakter von Zeichen und Symbolen. Der Systembegriff war etwas Wesentliches und Übergreifendes. Bild als System – System als Bild. Mit dieser neuen Bildmethodik änderten sich meine Motive und Themen. Sie wurden allgemeiner und politischer. Der Kalte Krieg zwischen Ost und West war das Thema der ersten 'Weltbilder' und 'Systembilder'." (Markus Mittringer aus Frankfurt am Main / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 12.7.2007)