Wien - Für mehr Gelassenheit in der Koalition plädierte ÖVP-Klubchef Wolfgang Schüssel in seiner Bilanz des Parlamentshalbjahres. Nach einem "Geburtsfehler" in der Koalition - den Untersuchungsausschüssen - müsse man sich nun auf die Zukunft konzentrieren und einen Kompromiss zwischen "kuscheln, kuschen und streiten" finden. Mit den Ausschüssen sei wertvolle Zeit und Geld vertan worden, sagte Schüssels Stellvertreter Günter Stummvoll: "Das haben wir alles schon vorher gewusst, das Ergebnis ist gleich null."

Ansonsten zeigt sich der ÖVP-Klub glücklich: Vor allem im wirtschaftlichen Bereich sei "Glänzendes" geleistet worden, Vizekanzler Wilhelm Molterer ist für Schüssel der "Garant dafür, dass die Rahmenbedingungen einer wirtschaftlichen Aufwärtsbewegung" intakt bleiben.

Und über das Kindergeld, ein Kernprojekt seiner eigenen Kanzlerschaft, lässt er erst recht nichts kommen. Daher steht er auch zu Rückzahlungsforderungen. Jeder habe wissen können, dass es "gewisse Zuverdienstgrenzen gibt, und diese eben auch eingehalten werden müssen". Er warf der Arbeiterkammer vor, Eltern unrichtigerweise darauf hingewiesen zu haben, dass es ohnehin keine Kontrollen geben werde.

Andererseits würden die jetzt veröffentlichten Erhebungen tausende Familien verunsichern - dass die Abschätzung der Zahl der von Rückforderungen Betroffenen auf einer dünnen Datenbasis beruht, hatte der Standard berichtet. Auch die Salzburger Gebietskrankenkasse hat nun bestätigt, dass nur Verdachtsfälle geprüft wurden, was den hohen Anteil von Ertappten erklärt. Die absolute Zahl erscheine "verschwindend gering".

Von einer Weisung des ehemaligen Sozialministers Herbert Haupt, dass ein Übertreten der Zuverdienstgrenze nicht verfolgt würde, wisse er nichts, sagte Schüssel. Das BZÖ erinnerte ihn daraufhin daran, dass er diese Weisung am 20. Jänner 2004 ausdrücklich gelobt hatte.

Kärntens Landeshauptmann Jörg Haider nannte die Rückforderungen einen "unsozialen Masterplan" der rot-schwarzen Regierung. Die Kärntner SPÖ-Vorsitzende Gaby Schaunig will ebenso wie das BZÖ einen Musterprozess gegen das Familienministerium führen. (lmf, DER STANDARD, Print, 11.7.2007)