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Derzeit Streitobjekt

Foto: AP/Hans Punz
Wien - Im Streit um die E-Card-Abrechnung droht die Wiener Ärztekammer nun mit der Auflösung des Vertrags mit dem Hauptverband der Sozialversicherungsträger. Als "Ultima Ratio" schloss Vizepräsident Johannes Steinhart am Dienstag auch Geldforderungen an die Patienten nicht aus, um nicht bezahlte Leistungen ersetzt zu bekommen. Gleichzeitig ziehen Kammer und Ärzte vor die Schiedskommissionen.

Keine Schlamperei

Die Ärztekammer spricht von "Datenchaos". Fehlerhafte Abrechnungen bei ungefähr 10.000 Patienten im ersten Quartal 2007 hätten dazu geführt, dass die Wiener Gebietskrankenkasse (WGKK) Leistungen von 850 Ärzten im Ausmaß von 500.000 Euro nicht bezahlt habe. Dass die Mediziner schlampig abgerechnet haben könnten, wollte Steinhart in einer Pressekonferenz nicht gelten lassen: "Wenn knapp 50 Prozent der Kollegenschaft betroffen sind, dann hat das System ein Problem, und nicht die Kollegen."

Kein Zusammenhang mit Kassenverhandlungen

Einen Zusammenhang mit den im Herbst anstehenden Kassenverhandlungen mit der WGKK sah Steinhart nicht. Gleichzeitig forderte er aber einen Kostenersatz für den bürokratischen Aufwand der Ärzte in den Ordinationen. "Der Sozialversicherung muss klar sein: Seine Tintenburgen zu behalten und alles dort weiterlaufen zu lassen, die administrativen Tätigkeiten aber ohne entsprechende Finanzierung in die Ärzteschaft hineinzudrücken, das wird es auch nicht geben", so der Vizepräsident.

Fehler kritisiert

Aus Sicht der Ärztekammer hat das E-Card-System seine Kinderkrankheiten nie überwunden. Probleme gebe es etwa bei Neugeborenen, wenn Arbeitslose krank würden oder mitversicherte Kinder einen Ferienjob absolvierten. Die betreffenden Personen würden dann wochenlang als nicht versichert im System aufscheinen. Problematisch sei auch die nur 14-tägige Frist zum Nachbringen der Karte. Die Ärzte fordern hier eine Verlängerung.

Lieber Rückkehr zu Krankenscheinsystem

Zeige die Kasse kein Entgegenkommen, will man sogar zum alten Krankenscheinsystem zurückkehren. Nicht bereit sei man jedenfalls zu Ausweitungen des E-Card-Systems zur E-Überweisung, dem E-Rezept oder der elektronischen Gesundheitsakte (ELGA).

Die Wiener Ärztekammer zieht zudem vor die für Vertragsstreitigkeiten zuständige Landesschiedskommission. Auch für einzelne Ärzte, die den Weg zur "paritätischen Schiedskommission" gehen wollen, gibt es Unterstützung. "Der letzte Weg, die Ultima Ration ist, den Patienten eine Rechnung zu schicken", so Steinhart, "wobei ich davon ausgehe, dass der Wienerberg (gemeint ist die Gebietskrankenkasse, Anm.) diese Rechnung begleicht."

WGKK sieht Fehler bei den Ärzten

Die Wiener Gebietskrankenkasse (WGKK) hat die Kritik der Ärztekammer an der E-Card-Abrechnung brüsk zurückgewiesen. Die Standesvertretung lasse sich vor den Karren weniger chronischer "Falschabrechner" spannen, so Obmann Franz Bittner in einer Aussendung. Hoch qualifizierte Akademiker, die in Wien jährlich 360 Millionen Euro an Honoraren kassierten, sollten in der Lage sein, ihre Rechnungen richtig zu adressieren.

"Kein Selbstbedienungsladen"

"Sollte die Ärztekammer meinen, das Beitragsgeld der Versicherten sollte gleich direkt auf die Ärztekonten umgeleitet werden, und Rechnungen seien überhaupt verzichtbar, weil bloß 'Bürokratie', dann sage ich, die Kasse ist kein Selbstbedienungsladen", betonte Bittner: "Es zeugt von ziemlicher Überheblichkeit, wenn die Standesvertretung glaubt, ordnungsgemäße Rechnungslegung gilt für alle, nur nicht für Ärzte."

"Schlamperei"

Eine Analyse der fehlerhaften Abrechnungen habe ergeben, dass der Großteil irrtümlich an die WGKK gerichtet worden sei, obwohl ein anderer Versicherungsträger leistungszuständig war. Wenn Rechnungen an die falsche Adresse gelangten, liege das aber nicht an der Gebietskrankenkasse, sondern am "Irrtum oder der Schlamperei des Arztes", so Bittner: "Wenn ich für einen Bäcker eine Leistung erbracht habe, schicke ich die Rechnung ja auch nicht an den Installateur." (APA)