Während mehr als zwei Millionen Iraker Zuflucht in Syrien und Jordanien gefunden haben, gibt es für Palästinenser keinen Ausweg. Kein Staat will sie aufnehmen. So endet ihre Flucht vor Verfolgung in der Wüste, in dem leeren Streifen zwischen den Grenzen, im Niemandsland.
Al Tanf ist eines von drei Flüchtlingslagern entlang der Ostgrenze des Irak. Seit Juni 2006 leben hier 350 Palästinenser. Tagsüber schießen die Temperaturen über 50 Grad hinaus, nachts kriechen Skorpione und Spinnen aus der Wüste heran. Der Staub und die Hitze haben bereits viele der Kinder asthmakrank gemacht.
Furcht vor Zustrom
Rund 1,4 Millionen Iraker leben bereits in Syrien, täglich kommen hunderte hinzu. "Das Land zeigt sich Flüchtlingen gegenüber allgemein sehr großzügig. Doch es gilt das Prinzip, keine Palästinenser einreisen zu lassen", sagt der Leiter des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR in Damaskus, Laurens Jolles. Die Regierung fürchte den Zustrom aller 15.000 Palästinenser aus dem Irak.
So eine palästinensische Volksbewegung ist Syriens Hauptsorge. "UNHCR-Mitarbeiter versorgen die Flüchtlinge zwar täglich mit Wasser, Nahrung und medizinischer Betreuung. Dennoch müsse dringend eine sicherere Unterbringung für sie gefunden werden, betont Jolles. "Aber es ist keinerlei Lösung in Sicht."
Einmal, im Mai 2006, hat Syrien 300 zwischen den Grenzen gestrandete Palästinenser aufgenommen. Doch anders als die Iraker, die sich ein neues Leben in der syrischen Gesellschaft aufbauen können, mussten sie das Lager al Hol in der entlegenen, nordwestlichen Ecke des Landes beziehen. Soldaten bewachen das Tor, dahinter liegen bröselige, fleckige Betonhütten.
"Als wir ankamen, dachte ich, das kann nicht wahr sein, dass wir hier leben sollen", sagt Khaled Musa Darwisch. Der 44-Jährige wurde aus einem Leben im Wohlstand gerissen. In Bagdad hatte er eine erfolgreiche Gardinenschneiderei aufgebaut. Stockend schildert er, wie dann im vergangenen Jahr der Konflikt über seine Familie kam. Bewaffnete Milizen begannen, in der Nachbarschaft nach Palästinensern zu suchen. Wenig später wurde sein Sohn Walid im Supermarkt Zeuge, wie der palästinensische Inhaber regelrecht hingerichtet wurde. Die Polizei tat den Mord als Unfall ab. Danach fiel innerhalb einer Stunde die Entscheidung zur Flucht.
Traumatisiert
Jetzt leben Khaled Musa Darwisch, seine Frau und die drei Söhne seit mehr als einem Jahr in al Hol. Mustafa, der zwölfjährige Sohn, kann im nächstgelegenen Dorf in die Schule gehen, doch die Gewalt im Irak hat das Kind traumatisiert. Und die beiden älteren Söhne sollten in Bagdad zur Universität gehen. Nun sitzen sie ihre Zeit in der Wüste ab, weil es nichts zu tun gibt außer zu warten. Auf was, weiß hier niemand mehr genau. Darwisch hat nun begonnen, wieder Gardinen zu nähen, doch wer kauft Gardinen in einem Flüchtlingslager?
Seit Dezember lässt Syrien nicht einmal mehr zu, dass sich in al Tanf, dem Lager im Niemandsland, weitere Menschen ansiedeln. Damit kann kein Palästinenser mehr den Irak verlassen. Doch die Todesangst treibt sie weiter bis an die Grenze. Direkt davor staut sich der Flüchtlingsstrom in einem weiteren Lager. Dort, in al Walid, leben mittlerweile rund tausend Palästinenser, sagt UNHCR-Sprecherin Sybella Wilkes. Die Zelte sind überfüllt, mit Schwerkranken, Folteropfern und Verletzten: "Wir kümmern uns um die Menschen, aber aus Sicherheitsgründen haben wir nur beschränkten Zutritt."