Viel Kritik erntete Merkel für die Gesundheits- und die Pflegereform.

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Heftige Proteste der Gewerkschaften konnten weder die Erhöhung des Pensionsantrittsalters von 65 auf 67 Jahre noch den Anstieg der Mehrwertsteuer verhindern.

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"Wir werden unsere parlamentarische Mehrheit für strukturelle Reformen in Deutschland nutzen, Mut machen zur Anstrengung und das Vertrauen der Menschen in die Zukunftsfähigkeit des Landes stärken." Diese schönen Worte hat die große Koalition in ihren schwarz-roten Vertrag geschrieben und Merkel fügte bei ihrer Angelobung als Kanzlerin im November 2005 noch feierlich dazu: "Ich will Deutschland dienen."

Das allerdings spüren viele Deutsche nun, zur Hälfte der Legislaturperiode, in der Geldbörse: Der wohl einschneidendste "Reformschritt" der großen Koalition war die Erhöhung der Mehrwertsteuer. Sie stieg im Jänner von 16 auf 19 Prozent an.

Damit ist sie zwar noch niedriger als in Österreich, aber die meisten Deutschen zitterten diesem Ereignis monatelang entgegen. Doch dank der guten Konjunktur kamen Merkel und ihre Regierung mit einem blauen Auge davon: Die Konsumschwäche vom Beginn des Jahres ist überwunden, jetzt kaufen die Deutschen wieder fröhlich ein.

Unpopulär

Wie die Erhöhung der Mehrwertsteuer werden viele Deutsche die erste Hälfte der Regierungszeit Merkel I noch lange mit Belastungen verbinden. Ähnlich unpopulär wie die Erhöhung der wichtigsten Verbrauchersteuer war die Gesundheitsreform. Sie bringt den Deutschen 2009 ein neues Element im Gesundheitswesen (den Gesundheitsfonds) und sorgte für die schlechteste Presse, die die große Koalition in den ersten beiden Jahren hatte: Denn dieser Fond, in den künftig alle Beiträge der gesetzlich Krankenversicherten fließen sollen, wurde geschaffen, weil die SPD auf einer Bürgerversicherung beharrte. Die Union wollte aber eine Kopfpauschale. Zwischen diesen beiden Formen war einfach kein Kompromiss zu finden. Außerdem konnte der Anstieg der Beiträge nicht eingedämmt werden. Bei der Pflegeversicherung ließ man sich auf derartigen nervenaufreibenden Streit gar nicht mehr ein, es wurden einfach die Beiträge erhöht. Sie steigen am 1. Jänner 2008 um 0,25 Prozentpunkte an.

Schlecht zu sprechen sind viele Deutsche nach zwei Jahren großer Koalition auch auf Vizekanzler Franz Müntefering (SPD). Er hat ihnen die "Rente mit 67" beschert. Das bedeutet: Ab 2011 bis 2029 wird das Pensionsantrittsalter in Deutschland schrittweise von 65 auf 67 Jahre angehoben. Ab 2029 braucht man 45 Beitragsjahre zur Pensionsversicherung, wenn man bereits mit 65 Jahren ohne Abschläge in Pension gehen will.

Doch die große Koalition hat nicht allen Deutschen nur genommen, manchen hat sie auch gegeben: Mit 1. Jänner dieses Jahres wurde das Elterngeld eingeführt, für das sich Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU) sehr eingesetzt hat. Diese Lohnersatzleistung (maximal 1.800 Euro monatlich) bekommt, wer zur Kinderbetreuung zu Hause bleibt. Entlastet hat Schwarz-Rot auch die Kapitalgesellschaften. Sie müssen ab 2008 nicht mehr 38,6 Prozent Steuern bezahlen, sondern bleiben mit ihrer Steuerlast unter 30 Prozent. Damit hat die deutsche Regierung auf die Steuersenkungen in Österreich und Osteuropa reagiert.

Streitpotenzial bleibt

"Mit dem Koalitionsvertrag sind wir eigentlich durch", heißt es in Berlin, wenn man nach weiteren Vorhaben fragt. Doch da man jetzt ja nicht zwei Jahre lang nichts tun kann und Merkel nach ihren außenpolitischen Starauftritten nach der Sommerpause wieder auf die Berliner Bühne zurückkehrt, wird in den kommenden Monaten noch so mancher Streit zu schlichten sein: Wie man Mitarbeiter am besten an Unternehmen beteiligt, wie weit die Sicherheitsgesetze von Innenminister Schäuble (CDU) gehen dürfen. Außerdem müssen die Länderfinanzen neu geregelt werden und die Regierung muss klären, was nach Auslaufen des Briefmonopols passiert und wie Merkel ihre Klimaschutzziele verwirklichen kann. (bau,