Wien - Schon seltsam, wenn an einem Konzertabend ausgerechnet ein Musiker die Ehre des Jazzfests rettet, der schon vor einigen Jahren sein offizielles Abschiedskonzert gegeben hat und am Instrument naturgemäß schon etwas aus der Übung ist.

Posaunist Erich Kleinschuster, mittlerweile 77, in den 60er- und 70er-Jahre als Musiker, Pädagoge und ORF-Mann Schlüsselfigur des österreichischen Jazz, präsentierte am Sonntag im Arkadenhof des Wiener Rathauses noch einmal sein ursprünglich 1966 gegründete Sextett in neuer Besetzung. Um mit rund 30 Jahre alten Piecen wie den andalusisch gefärbten "Maurischen Anekdoten", von ihm selbst mit einer multifonen Solo-Introduktion, von einem blendend disponierten Harald Neuwirth sowie Daniel Nösig (Trompete) und Thomas Kugi (Tenorsaxofon) mit munteren Soli aufgepeppt, individueller und substanzvoller zu klingen als vieles, das in den letzten Tagen Jazzfest zu vernehmen war.

Zuvor hatte Rama Widi aus Jakarta mit simpel gestrickten exotischen Romantizismen und Nettigkeiten nahe der Banalitätsgrenze an Harfe bzw. Klavier das Publikum beschallt, und die niederländische Sängerin Traincha alias Trijnte Oosterhuis verzichtete mit ihrer kräftigen Allerweltsstimme darauf, den Burt-Bacharach-Songs und Dionne-Warwick-Hits auch individuelle Deutung zu verleihen.

Dionne Warwick war am Freitag auch persönlich in der Staatsoper zugegen, um routiniert und ohne Mehrwert Hits zwischen Walk On By und Heartbreaker exakt so abzuspulen, wie man sie aus den Formatradios dieser Welt kennt. Auch in Zeiten der längst erfolgten Verwässerung des Jazzfest-Begriffs sollte die Frage erlaubt sein, ob dieser Veranstaltungsrahmen nicht auch inhaltliche Vorgaben - und damit Grenzen - impliziert.

Einen markanten Kontrapunkt hiezu bedeutete die 78-jährige Sheila Jordan, die in Begleitung des Fritz-Pauer-Trios im Jazzland gastierte. Auch wenn ihre Standard-Interpretationen mitunter stark von der mittlerweile brüchigen Stimme beeinträchtigt werden: Ihre grandiose Version von Paul McCartneys Blackbird, dessen Scat-Improvisationen sie um die kehligen Vokalisen der Navajo-Gesänge bereicherte, wird lange in Erinnerung bleiben.

Jazz und Poesie

Spannend zweifellos auch Archie Shepps "Born Free"-Projekt: Über einer eher anspruchslosen Rhythm-'n'-Blues-Basis ließ der 70-Jährige seine Gesänge, Gedichtdeklamationen und Saxofonimprovisationen mit den Stimmen von "Last Poet"-Legende Jalaluddin Mansur Nuriddin und dem französischen Rapper Rocé zusammenkommen, um so einen vielschichtigen, Generationen übergreifenden afroamerikanischen Protestchor zu formen.

Wäre es Shepp gelungen, die afrikanische Projektfacette in Gestalt von Keyboarder Cheick-Tidiane Seck sinnvoll ins Konzept zu integrieren, und hätte die Akustik im Arkadenhof des Rathauses mitgespielt, es wäre statt eines interessanten ein höhepunktverdächtiger Termin geworden. (Andreas Felber, DER STANDARD/Printausgabe, 10.07.2007)