Rom - Der Skandal um den italienischen Geheimdienst SISMI, der angeblich zwischen 2001 und 2006 systematisch Richter und Staatsanwälte ausspioniert haben soll, sorgt für politischen Zwist in Rom. Zwischen Regierung und Opposition herrscht Streit über die Frage der Einsetzung eines Untersuchungsausschusses, der Klarheit über die angeblich illegalen Spionagetätigkeiten des SISMI verschaffen soll. Während die Regierungskoalition die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses fordere, sei das oppositionelle "Haus der Freiheiten" um Silvio Berlusconi dafür, die Angelegenheit dem ohnehin existierenden parlamentarischen Kontrollgremium Copaco zu überlassen, berichteten italienische Medien am Montag.

Die Auseinandersetzung scheint sich zudem auf die Frage auszudehnen, ob man bei der Untersuchung die Schweigepflicht aufheben soll. Für Schlagzeilen sorgten Äußerungen des unter Beschuss geratenen Ex-SISMI-Chefs Nicolo Pollari. Dieser erklärte sich bereit, bei einer Befreiung von der Schweigepflicht "italienische Geheimnisse zu lüften".

Pollari steht in Mailand wegen der Entführung des ägyptischen Geistlichen Abu Omar vor Gericht. Er ist in den letzten Wochen auch in den Sog eines ausgedehnten Skandals um illegale Telefonabhörungen geraten, auf Grund dessen die Mailänder Staatsanwaltschaft 20 Haftbefehle erlassen hatte. Verhaftet wurden im vergangenen September einige Manager der Telecom Italia und des Mutterkonzerns Pirelli sowie hochrangige Polizeifunktionäre und Militärs. Sie sollen auf illegale Weise Telefongespräche von Politikern, Großunternehmern und Journalisten abgehört und aufgenommen haben.

Laut dem Obersten Richterrat (CSM) hat der SISMI intensiv von 2001 bis 2003 sowie teilweise bis 2006 vier Staatsanwaltschaften (Mailand, Turin, Rom, Palermo) sowie 203 Richter aus 12 Ländern, davon 47 Italiener, bespitzelt. Das bedeute, dass der Geheimdienst selbst und damit auch seine Führungsspitze fünf Jahre lang ein ungesetzliches, gegen die Verfassung gerichtetes Programm umgesetzt habe. Funktionäre des Militärgeheimdienstes hätten darüber hinaus mit Einschüchterungsaktionen Richter bedroht und ihre Glaubwürdigkeit in der Öffentlichkeit in Frage gestellt. Laut CSM sei dadurch die Unabhängigkeit der Justiz behindert worden. (APA)