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Gebaut wird in Österreich viel, doch langfristige Planung ist vielerorts ein Fremdwort.

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Real existierende Baukultur in Österreich: Zersiedelung am Beispiel der niederösterreichischen Gemeinde Gänserndorf...

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...und die Wiener Wohnanlage Monte Laa als Baustelle.

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Im internationalen Vergleich ist die Baukultur in Österreich so gut wie kein Thema für die Bundespolitik. In einer Nation, in der die Bürgermeister immer noch die höchste Baubehörde darstellen, wird täglich eine Fläche von rund 22,5 Hektar ohne nachhaltige übergeordnete Planung verbaut, was sich beispielsweise an der krassen Zersiedelung der Landschaft unschwer ablesen lässt.

Neben Flächen fressenden Einfamilienhausteppichen wachsen vor allem im ländlichen Raum nach wie vor kommunale Wohnsiedlungen aus dem Boden, deren architektonische Qualitäten mehr als fragwürdig sind. Und geht es der Politik um neue Schulkonzepte, so bleibt die Frage, in welchen Häusern die denn umgesetzt werden könnten, so gut wie ungestellt.

Architekturqualität, Flächenbewirtschaftung, Raumplanung - all diese direkt miteinander verknüpften Faktoren laufen ungeordnet und chaotisch auseinander.

Irrglaube

Nach monatelanger guter Ablagerung in ministeriellen Schubladen wird heute, Montag, endlich der erste Österreichische Baukulturreport der Öffentlichkeit präsentiert. In kompakter Form erläutert er diese Zusammenhänge. Als Hebamme des bis dato geheim gehaltenen Papiers agiert Kulturministerin Claudia Schmied. Das Interesse der anderen Ressorts hielt sich in Grenzen, Architektur und Bauen wird von der Politik immer noch als ausschließlich kulturelle Leistung verkannt.

Exakt diesem Irrglauben will der Baukulturreport nun entgegenwirken. Die in sechs Bänden von Fachleuten diverser Disziplinen verfasste Studie befasst sich explizit nicht mit schönheitschirurgischen Einzeleingriffen durch Architektur, sondern mit dem volkswirtschaftlichen Nutzen, der durch politisch klug regulierte Planungs- und Bauleistungen erzielt werden könnte.

Dieses Rechenspiel beginnt im Großen mit der Raumordnung und endet im Kleinen beim privaten Bauherren. "In keinem vergleichbaren Staat Europas herrscht auf nationaler Ebene ein derartiges Vakuum an siedlungspolitischer Kompetenz wie in Österreich", schreibt etwa Raumplaner Reinhard Seiß.

Zersiedelung

Die ausgeprägte Zersiedelung verursache allein für die Errichtung und Erhaltung von technischen Infrastrukturen wie Straßen und Versorgungsleitungen Mehrkosten von 150 Millionen Euro pro Jahr. Dazu kämen soziale Folgekosten, die in Streusiedlungsgebieten rund 23 mal höher seien als in kompakten Siedlungskörpern.

Etwa die Hälfte aller neu errichteten Wohnungen sind frei stehende Einfamilienhäuser. Sie bedingen 87 Prozent des Flächenverbrauchs für neue Straßen. "Bedenkt man, dass gleichzeitig etwa ein Sechstel des Bauflächenbedarfs durch Flächenrevitalisierung gedeckt werden könnte, so erschließen sich politische Handlungsspielräume, die es zu nutzen gilt", schlussfolgern im Kapitel "Nachhaltigkeit" die Architekten Renate Hammer und Peter Holzer.

Apropos: Zwei Drittel des heimischen Baubestandes sind bauphysikalisch minderwertig, die Raumwärmeerzeugung ist für etwa 16 Prozent der CO2-Emissionen verantwortlich. In zeitgemäß geplanten und ausgestatteten Neubauten, aber auch in adaptierten bestehenden Häusern lässt sich der Heizwärmebedarf auf ein Fünftel bis, im Extremfall, auf ein Zehntel reduzieren, was angesichts des Umstandes, dass Österreichs Energieaufkommen zu knapp 70 Prozent von Importen gedeckt wird, ebenfalls von volkswirtschaftlichem Interesse sein dürfte.

Einsparungspotenzial

Doch die Bundespolitik macht - derweil - noch keine Anstalten, all diese elementaren Bausteine zu einem ressortübergreifenden nationalen Gesamtkonstrukt zusammenzufassen, wie es in anderen Nationen üblich ist. Seit sieben Jahren ist man beispielsweise allein schon damit befasst, die derzeit noch länderweise geordneten Bauvorschriften einer bundesweiten Vereinheitlichung zuzuführen. Mögliches Einsparungspotenzial laut einer Studie der Vereinigung industrieller Bauunternehmungen Österreichs: zehn bis 15 Prozent der Wohnbaukosten.

Diese und noch viele weitere Aspekte liegen nun in kompakter Aufbereitung vor - samt einer Vielzahl konkreter Vorschläge, wie Verbesserungen auf politischer Ebene umzusetzen seien. Initiiert wurde der Baukulturreport allerdings nicht seitens der Regierung, sondern von den Planern und Planerinnen selbst: Nach einer im Jahr 2004 von Architekten und Zivilingenieuren erwirkten parlamentarischen Enquete zum Thema Baukultur hatte das Parlament das Bundeskanzleramt schließlich mit der Beauftragung einer entsprechenden Studie betraut. Als Organisatorin trat die Arge Baukulturreport auf. Die legte die Studie wie vertraglich vereinbart bereits im Herbst vergangenen Jahres vor, allein es fand sich geraume Zeit regierungsweit niemand, der die Drucklegung zu finanzieren bereit war.

Derzeit existiert das Konvolut in einer Auflage von nur 600 Stück, weshalb die Arge Baukulturreport nun eine Online-Version mit Downloadmöglichkeit freigeschaltet hat. (Ute Woltron, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 9.7.2007)