Am Donnerstagabend hat das türkische Verfassungsgericht überraschend die Einsprüche von Präsident Ahmet Necdet Sezer und der Opposition gegen eine künftige Direktwahl des Präsidenten abgewiesen. Damit ist die im Juni kurz vor Ablauf der Legislaturperiode noch verabschiedete Verfassungsänderung, wonach der Staatspräsident direkt vom Volk gewählt werden soll, nun rechtskräftig geworden.
Allerdings gibt es nach wie vor einen Vorbehalt: Sezer hat von seinem Recht Gebrauch gemacht, das Gesetz zuerst dem Volk vorzulegen. Deshalb wird nun im Oktober ein Referendum stattfinden. Alle Beobachter gehen allerdings davon aus, dass die Mehrheit für die Direktwahl ist. Damit ist nun für die türkische Politik erneut eine komplizierte Situation entstanden. Da die Entscheidung über die Direktwahl des Präsidenten erst Ende Oktober fallen kann, muss das Parlament, das nun am 22. Juli gewählt wird, nach noch geltendem Recht und nach seiner Konstituierung im August innerhalb von vier Wochen einen neuen Präsidenten wählen. Dieser Präsident wäre dann sieben Jahre im Amt, und erst danach käme die Direktwahl zum Zuge.
Fehlende Mehrheit
Es spricht aber viel dafür, dass im kommenden Parlament keine Partei über eine Zweidrittelmehrheit verfügt und das Parlament daher wiederum nicht in der Lage sein wird, einen Präsidenten zu wählen, und deshalb Mitte September bereits wieder aufgelöst werden muss. Es sei denn, die beiden verfeindeten Lager, die islamische AKP auf der einen Seite und die Laizisten und Nationalisten auf der anderen Seite, einigen sich doch noch auf einen Konsenskandidaten, was die AKP im Mai ja noch abgelehnt hatte.
Falls dies nicht passiert, könnte es doch noch dazu kommen, dass die Wähler, wie Premier Recep Tayyip Erdogan eigentlich schon für die Wahlen im Juli gehofft hatte, gleichzeitig Ende Oktober über ein neues Parlament und die Direktwahl des Präsidenten abstimmen werden. Der Türkei könnte dann ein Wahlmarathon ins Haus stehen, der erst Ende des Jahres mit der Wahl eines neuen Präsidenten endet. Damit würde für das gesamte Jahr ein politisches Vakuum mit der Gefahr einer Instabilität entstehen, die nicht nur jeden Reformprozess lahm legt und die Wirtschaft verunsichert, sondern auch einem Eingreifen der Militärs Tür und Tor öffnet.