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Foto: Standard/Cremer
...den Unterschied? Zumindest was das Redeverhalten angeht, gibt es keinen.
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Austin – Sie reden zu viel. Unter den vielen Vorurteilen gegen Frauen ist dies eines der häufigsten. Frauen stören dem zufolge durch ihr Gerede wie der Fremde, der im Saloon quatscht und daher über den Haufen geschossen wird. Das konzentrierte männliche Schweigen soll durch niemanden gestört werden.

Stimmt das, fragte ein Team von Psychologinnen und Psychologen an der University of Texas in Austin. "Are Women Really More Talkative Than Men?" Seit gut zehn Jahren kursieren nämlich nicht nur die Klischees, sondern auch Zahlen. Denen zufolge äußern Frauen fast dreimal so viele Worte täglich wie Männer, nämlich rund 20.000. "Aber", so James Pennebaker von der texanischen ForscherInnengruppe, "es gibt keine große Studie, die die natürlichen Gesprächsflüsse einer größeren Anzahl von Menschen über längere Zeit systematisch festgehalten hat."

Massig "Abhörmaterial"

Genau das haben nun er und seine Kolleginnen und Kollegen getan. Über mehrere Jahre haben sie eine Methode entwickelt, jede Form gesprochener Interaktion unter Menschen aufzunehmen. Ein elektronisch aktivierter Rekorder (EAR), wie er aus der Audiotechnik bereits bekannt ist, wurde verwendet, um das Redeverhalten von 400 jungen Menschen (zu Beginn der Studie waren sie alle College-Studentinnen und -Studenten) von 1998 bis 2004 aufzunehmen.

Die Versuchspersonen wussten nur, dass das Gerät (unauffällig und nicht beeinflussbar) sich gelegentlich anschaltete. Das geschah, um das Datenmaterial zu reduzieren und das Gefühl ständiger Überwachung zu minimieren. Tatsächlich gingen die EAR alle 30 Minuten für den Zeitraum von 12,5 Minuten an und immer nur dann, wenn tatsächlich gesprochen wurde. Aus sieben Jahren "Abhörmaterial" destillierten Matthias Mehl, Pennebaker et al., dass sowohl Männer wie Frauen im Schnitt 16.000 Wörter pro Tag äußern. Zumindest für besser ausgebildete Jüngere im Südwesten der USA ist also das Vorurteil widerlegt. Sie reden alle ziemlich viel. (mf/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 6.7. 2007)