Peter Oswald und Barbara Fränzen: Gemeinsam haben der ehemalige Intendant des steirischen herbstes und die ORF-Redakteurin 1999 Kairos gegründet.

Foto: Departure/Roland Ferigato

Kairos Music besteht unter der leidenschaftlichen Führung von Peter Oswald unter nicht immer günstigen Bedingungen.

Wien – In diesen für die Tonträgerindustrie arg krisengeschüttelten Zeiten in ein CD-Label zu investieren zeugt ja schon von einigem Optimismus. Wenn dann dieses Label auch noch ausschließlich Neue Musik in sein Programm nimmt, darf man eine derartige Portion nahe dem Wahnsinn angesiedelten Idealismus orten, dass man sich fragen muss, ob ein solches Projekt denn überhaupt funktionieren kann.

Wie das vor nunmehr acht Jahren von Peter Oswald gemeinsam mit Barbara Fränzen gegründete Label Kairos zeigt, lautet die Antwort: Ja, es kann, wenn man ein beträchtliches Maß an Energie und eigenen finanziellen Mitteln aufwendet, wenn man Mut zum Risiko, gepaart mit visionärem Augenmaß für das (gerade noch) Machbare, Verhandlungsgeschick und Hartnäckigkeit an den Tag legt. Und so hat die in der Wiener Josefstadt angesiedelte Firma, während es in der gesamten Branche ordentlich rumorte, die Quadratur des Kreises tatsächlich zustande gebracht und einen inzwischen beachtlichen Katalog vorgelegt, der vor prominenten Komponisten- und Interpretennamen nur so strotzt, der die österreichische Szene ebenso promotet, wie er international ausgerichtet ist.

Neben fast allen namhaften Neue-Musik-Ensembles wie dem Klangforum Wien, dem Ensemble Modern, dem ensemble recherche oder dem Arditti Quartett ist der neueste Coup des Peter Oswald, die Berliner Philharmoniker unter Sir Simon Rattle mit einer Novität von Johannes Maria Staud ins Boot geholt zu haben.

Goldene Stimmgabel

Damit kann man zwar noch immer keinen Blumentopf gewinnen, geschweige denn die eigene Nase vergolden. Internationale Anerkennung regnete es dennoch: Etliche Male wurden Kairos-Produktionen mit dem Preis der deutschen Schallplattenkritik ausgezeichnet, kürzlich erhielt die Einspielung von Olga Neuwirths "Lost Highway" nach dem gleichnamigen Film von David Lynch einen Diapason d'Or. Dieses Werk war Teil einer regelrechten Musiktheater-Offensive bei Kairos, die auch Opern von Beat Furrer und Bernhard Lang umfasste, die mehrheitlich während Oswalds Intendanz beim steirischen herbst (bis 2006) entstanden waren.

Konnten hier Synergien optimal genutzt werden, so kehrt Oswald gegenüber dem Standard auf die Frage, ob ein Live-Erlebnis der Konserve nicht haushoch überlegen sei, die gängigen Argumente um: "Unser Ziel sind qualitativ hochstehende Aufnahmen, nicht reine Dokumentationen von Konzerten. Es sollen alle Werkfacetten, die in der Liveaufführung wegen oft unzureichend ausgestatteter Konzertsäle oder schlechter Sitzplätze nicht wahrgenommen werden können, in idealer Weise repräsentiert werden."

Daher sind auch einige der neuesten CDs in Fünfkanaltechnik aufgenommen, was die Räumlichkeit und Tiefenwirkung der Kompositionen hervorhebt und den Zuhörer auf jenen idealen Platz hievt, der im Konzertsaal oft nur an einer bestimmten Stelle einen optimalen Eindruck ermöglicht. Dass die Produktionskosten hier hoch sind, leuchtet unmittelbar ein.

Vertrauen in Zukunft

Gegenüber den Flaggschiffen in der Branche sieht Oswald unterdessen auch Vorteile: "Die großen Firmen produzieren nur sporadisch und kippen wertvollste Produktionen nach kurzer Zeit aus ihrem Katalog, weil die Kapitalgesellschaften nur in Vierteljahresberichten denken. Unsere Konzeption ist auf Nachhaltigkeit und Partnerschaft mit den Komponisten über viele Jahre hinaus angelegt, was natürlich ein gegenseitiges Grundvertrauen braucht."

Die eigene finanzielle Situation ist freilich anhaltend schwierig, produziert wird immer am Limit. "Dennoch haben wir die Talsohle überwunden. International haben wir mittlerweile ein gutes Standing, das sich nun in Frankreich und Spanien dramatisch auszuwirken beginnt. Wir beginnen 2007 eine Partnerschaft mit zwei führenden Neue-Musik-Institutionen in Frankreich (Ensemble Intercontemporain, Ircam) und einer großen spanischen Institution, deren Name ich noch nicht verraten darf, die aber eine für Neue-Musik-Verhältnisse traumhaft finanzierte Kooperation ermöglicht."

In Österreich ist die Unterstützung mager: "Kooperationen gibt es mit der Initiative Departure vom Wiener Wirtschaftsförderungsfonds und dem österreichischen Musikfonds. Sonst ist bisher kein Euro von Bund und Stadt geflossen, obwohl wir viele Aufnahmen heimischer Komponisten bieten, die in den weltweiten Vertrieb kommen." Dennoch blickt Oswald für sein "mit Leidenschaft geführtes persönliches Unternehmen" optimistisch in die Zukunft. Er habe genügend Ideen für die nächsten 30 Jahre. (Daniel Ender / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 6.7.2007)