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"Wir haben ja auch einen Jahrgang mit Garics, Leitgeb, Prager und Fuchs oder den darunter mit Schiemer"

Foto. APA/Artinger

Edmonton - Die kommenden Tage und Wochen könnten für den Technischen ÖFB-Direktor Willi Ruttensteiner die langersehnten Früchte seiner Arbeit bringen. Mit einer Achtelfinal-Teilnahme bei der U20-WM in Kanada und einem Semifinal-Einzug bei der U19-Heim-EM ab 16. Juli in Oberösterreich hätte sich Österreich unter den besten Nachwuchs-Nationen etabliert, was ein großes Ziel des Oberösterreichers bei seinem Amtsantritt 2001 (davor war er zwei Jahre lang ÖFB-Sportkoordinator) gewesen war.

Im Interview sprach der 44-Jährige, der sich beim U20-Team in Edmonton befindet und am Mittwoch in Burnaby die möglichen ÖFB-Achtelfinal-Gegner Spanien und Uruguay beobachtete, unter anderem über die heimische Nachwuchs-Arbeit und die Chancen auf ein bis zur EURO 2008 konkurrenzfähiges A-Team.

Was wäre Ihnen lieber, eine U20-WM-Achtelfinal- oder U19-EM-Semifinal-Teilnahme?

 

"Beides. Ein Achtelfinale bei einer WM wäre ein Wahnsinn, ein EM-Semifinale genauso. Was das für unser Land bedeuten würde, können sich glaube ich viele gar nicht vorstellen."

Warum haben in der Vergangenheit viele in ÖFB-Nachwuchs-Auswahlen erfolgreiche Kicker nicht den Sprung zum Liga-Stammspieler geschafft?

 

"In der U19 hatten wir 15 Jahre lang keinen Erfolg, das sind im Fußball Generationen. Erst 2003 waren wir erfolgreich mit dem Jahrgang Prager, Leitgeb und Säumel, und die setzen sich durch. Ich bin da nicht so gegen die Trainer oder Bundesliga-Vereine. Ich glaube, wir haben zu wenige Spieler produziert, eine zu schlechte Ausbildung gehabt und dann immer auf die Trainer geschimpft. Ich wünsche mir auch, dass Talente früher einen Stammplatz bekommen. Aber seitdem wir bessere Spieler produzieren, spielen sie auch in der Kampfmannschaft. Und wenn man sich bei seinem Verein gegen einen Kroaten oder Serben nicht durchsetzen kann, wie soll man sich dann gegen England, Frankreich oder Italien durchsetzen?"

Handelt es sich bei den aktuellen U19- und U20-Auswahlen um die besten Jahrgänge seit ihrem Amtsantritt beim ÖFB?

 

"Es geht nicht nur um diese zwei Teams, wir haben ja auch einen Jahrgang mit Garics, Leitgeb, Prager und Fuchs oder den darunter mit Schiemer. Im Nachwuchsbereich haben wir es definitiv geschafft, im Spitzen-Niveau mitzuspielen, und das wird bei der A-Mannschaft auch passieren."

Warum ist es bis jetzt noch nicht passiert?

 

"Weil es noch zu früh ist, weil Spieler wie Garics, Leitgeb, Prager, Junuzovic und Kavlak noch Zeit brauchen und den nächsten Schritt schaffen müssen, nämlich sich bei ihren Clubs durchzusetzen. Wenn das alles aufgeht, haben wir wieder eine Nationalmannschaft, und ich sehe diese Nationalmannschaft schon."

Wie lange dauert es noch bis zu einem konkurrenzfähigem A-Team?

 

"Es geht nicht darum zu sagen, in ein, zwei Jahren kommt irgendwas. Mit gestandenen Spielern wie Macho, Standfest, Stranzl, Ivanschitz, Aufhauser und jungen Spielern muss im Herbst ein gutes Nationalteam kommen, weil wir 2008 ein großes Ziel haben und im Frühjahr nur noch gegen Deutschland und die Niederlande spielen, dann geht es schon in die unmittelbare EM-Vorbereitung. Wenn es sich bis zum Herbst nicht ausgeht, wird es im Frühjahr sehr schwer, noch die Kurve zu kratzen."

Von vielen Seiten wird die Meinung vertreten, dass dem A-Team die Schlitzohrigkeit zum Erfolg fehlt, dafür gelten die Spieler als "fade Laptop-Generation". Teilen Sie diese Kritik?

 

"Das ist zum Teil einfach eine Zeiterscheinung, aber auch eine andere Generation, wenn man sieht, wie sich mancher junge Spieler für die Diagnostik interessiert, oder wann Blut abgenommen wird und Lactat-Tests gemacht werden."

Auch Sie müssen für Ihre Methoden einige Kritik einstecken. Prallt das an Ihnen einfach ab?

 

Jetzt schon, früher nicht. Aber ich habe auch gewusst, dass ich nicht falsch liege, wenn ich zum Beispiel gesehen habe, wie bei Arsene Wenger ein Spiel am Computer analysiert wird, wie auf einer Teamchef-Konferenz analysiert wird. Dann kommst du nach Österreich und fragst, können wir vom ÖFB uns dieses Analyse-System auch kaufen und wirst belächelt. Da tust du dir am Anfang schwer. Aber mittlerweile glaube ich, dass von Kurt Jara bis zu Didi Constantini die Leute Laptops verwenden, ich kann mir das nicht mehr anders vorstellen."

U20-Teamchef Paul Gludovatz hat zuletzt im Zusammenhang mit der ÖFB-Nachwuchs-Arbeit von "Breitensport-Förderung" gesprochen. Teilen Sie diese Ansicht?

 

"Ich glaube, er hat damit nicht den LAZ-Bereich gemeint, denn die Breite dort ist wichtig. Sonst musst du in dem Bereich der 10- bis 14-Jährigen die Kinder in ein Internat geben, und da haben wir klar gesagt, das ist Unsinn. Was Gludovatz wahrscheinlich gemeint hat, ist der BNZ-Bereich. Wenn man hochrechnet: Es gibt 13 BNZ, in jedem BNZ drei Mannschaften und pro Mannschaft rund 20 Spieler. Wenn man dann sieht was rauskommt, muss man sagen, das ist Breitensport-Förderung, und mir sind diese rund 700 Spieler auch fast zu viel. Aber es ist eben auch eine sportpolitische Entscheidung, denn jedes Bundesland hat mindestens eine Akademie."

Nach der EURO 2008 steht den Challenge-Projekten voraussichtlich weniger Geld zur Verfügung. Wo sehen Sie in diesem Bereich Einsparungs-Möglichkeiten?

 

"Das Wichtigste ist, den Bereich der Personal-Ressourcen, sprich umfangreicher Betreuerstab auch für die Nachwuchs-Teams, aufrecht zu erhalten. Diesen Standard zu minimieren, darf nicht passieren. Auch die Diagnostik kostet Geld, ist aber dafür am neuesten Stand und sehr wichtig. Am ehesten kann man noch dort einsparen, wo man den Clubs Geld gibt, also im Bereich des Individualtrainer-Modells, wo Vereine pro Challenge-Spieler 10.000 Euro, maximal 20.000 Euro pro Jahr vom ÖFB bekommen." (APA)