Jeweils montags und donnerstags eine Stadtgeschichte Thomas Rottenberg

Es war gestern. Da wurde ich beschenkt. Auf offener Straße – und von einem wildfremden Menschen. Aber weil ich darüber ziemlich verdutzt war, verstand ich erst als der Stadtgärtner längst wieder weg war, warum er sich dafür bedankt hatte, mir etwa schenken zu dürfen. Und dass eigentlich ich mich bedanken hätte müssen.

Bei Geschenken von Fremden bin ich an und für sich skeptisch. Nicht, weil mir meine Mama das Annehmen von Zeugs von – vor allem – Männern schon als Kind verboten hat, sondern weil spontanes Verschenken im echten Leben und im öffentlichen Raum ja de facto immer mit Eigeninteressen des Schenkenden verbunden ist.

Sektengeschenke

Am schönsten – auch wenn das hier gerade überhaupt nicht her passt – lässt sich das ja bei jenen Sektenheinis erleben, die einem auf der Mariahilfer Straße Bücher und Kram schenken. Und dem Passanten, der dann weder spendet, noch Fragen beantwortet, noch "zum Tee trinken" mit ins Heiligtum um die Ecke gehen will, das Zeug fast mit Gewalt wieder aus den Händen ringen.

Egal. Denn der Mann, der mir da neulich ein Geschenk in die Hand drückte, war Mitarbeiter des Stadtgartenamtes. Er erwischte mich, als ich gerade das Sackerl mit den Hinterlassenschaften des Hundes zuknotete. Und als ich das Gesicht verzog, weil mir eine Passantin da lobend "fein" in jener Tonlage zurief, den ich verwende, wenn ich die Töle lobe, weil sie endlich kapiert, was "komm" oder "aus" bedeutet, musste er lachen.

Minenfeld

Noch mehr lachen musste er, als er mir zusah, wie ich da auf Zehenspitzen durch jenes Minenfeld zurück auf den Gehweg stakste, das angeblich eine Grünfläche ist: Wenn die Gärtner da nicht alle drei Tage den Rasen mähen würden, wäre es ziemlich unmöglich, ohne Scheiße am Fuß wieder heraus zu kommen. Und beim Gedanken, was den Stadtgärtnern beim Mähen wohl alles um die Ohren (oder ebn die Wadeln) fliegt, wurde mir ein bisserl übel.

Der Gärtner aber lachte weiter. Und schaute dann mit traurigem Blick zu jener Hundebesitzerin, die ihren Hund natürlich justament auf die kleine Wiese nebenan, gleich unter den Fenstern des AMS, geschickt hatte: So ein Hundekackverbotsschild unter offenen Büro- oder Wohnungsfenstern ist für echte Hundefreunde schließlich nix anderes als eine Provokation.

Zuschaukette

Der Gärtner sah der Frau zu. Die sah ihrem Hund beim Kacken zu. Ich sah dem Gärtner beim Zusehen zu. Natürlich machte die Frau keine Anstalten, irgendwas einzusammeln. Der Gärtner griff auf die Rückbank seines Wagens und holte zwei Plastikbeutel hervor. "Darf ich ihnen was schenken?" fragte er – und drückte der Dame einen Sack in die Hand. In dem Sack waren Säcke. Wie bei einem Abreißblock aufeinander gepickt. "Dort drüben ist übrigens ein Sackerlspender", zeigte er auf den (meist gut gefüllten) Steher 20 Meter weiter.

Die Dame sah den Mann fassungslos an. Der tat, als sähe er das nicht, drückte mir den zweiten Beutel-Beutel in die Hand, sagte "Danke", stieg in seinen Wagen und fuhr davon. Als er weg war, begann die Dame zu toben: Was für eine Frechheit. Wie sie dazu käme. Das sei doch unerhört. Was man von ihr erwarte. So weit käme es noch. Dann warf sie das Geschenk des Gärtners weg. Immerhin: in den Mistkübel. (Thomas Rottenberg, derStandard.at, 5.7.2007)