Zwar nicht das älteste Stück Spinnenseide, dafür aber der früheste Beweis dafür, dass Spinnen Netze zum Beutefang sponnen, wurde vor kurzem, komplett mit gefangener Beute, in einem 110 Millionen Jahre alten Stück Bernstein entdeckt. Das Gespinst war während der frühen Kreidezeit im heutigen Spanien (Escucha, nahe Teruel) in Harz eingeschlossen worden.

David Grimaldi vom Amerikanischen Naturhistorischen Museum in New York schließt aus dem 18 Millimeter langen und 7,5 Millimeter breiten Bernstein-Stalaktiten, dass der klebrigem Saft entweder direkt auf das Netz tropfte oder das feine Gewebe vom Wind gegen Baumharz geblasen worden war.

Die Paläontologen teilten den Bernstein in drei dünne Scheiben und stießen dabei auf mindestens 26 Fäden; manche davon waren miteinander verbunden. Das Netz sei zwar nicht vollständig genug, um es eindeutig als ein Radnetz mit an Speichen spiralförmig verlaufenden Fäden zu identifizieren, aber Grimaldi fand auch keine Anhaltspunkte, die dagegen sprechen würden. "Es ist zweifellos ein geometrisch komplexes Netz, das in einer Ebene gesponnen wurde. Auf jeden Fall war das kein völlig zufälliges Gewebe.", ist sich Grimaldi sicher.

Seide seit 400 Millionen Jahren

Normalerweise ist es wesentlich wahrscheinlicher, eine konservierte Spinne zu finden, als deren Netz. Bisherige Spinnen-Funde zeigen, dass Seide-produzierende Spinnwarzen seit mindestens 400 Millionen Jahren existieren müssen. Die bisher älteste bekannte Stück Spinnenseide war 2003 im Libanon in einem 130 Millionen Jahre alten Bernstein entdeckt worden. Dabei handelte es sich jedoch nur um einen einzelnen vier Millimeter langen Faden, der praktisch nichts über das Netz verrät, von dem es einst ein Teil gewesen war.

Was Netze betrifft, so ist das nun vorliegende Fragment bei weitem das älteste Stück. Es besteht aus einer Gruppe von fünf Fäden, die alle in einer Ebene liegen. Mindestens drei davon sind in einer Art mit einem senkrecht dazu laufenden Faden verbunden, wie es auch in einem modernen Radnetzen vorkommt.

Prähistorische Spinnen-Beute

Der Bernstein offenbart auch Informationen zu den von der Netzbauerin bevorzugten Beute: So wurden Teile einer Milbe, einer Fliege, eines Käfers und einer Wespe entdeckt, die an den Fäden klebten. "Die Beute-Reste sind in Art und Größe zweifellos mit jenen zu vergleichen, die man heute in einem Netz von mehreren Zentimetern Durchmesser erwarten würde. Mit einem Unterschied: es handelt sich um ausgestorbene Spezies.", meint Grimaldi.

Die bisherigen Funde lassen Schlüsse über die Evolution der Beute-Tiere zu, denn die Konstruktion der Netze hatte in den vergangenen über 100 Millionen Jahren auch Einfluss auf die Entwicklung des Körperbaus von Flug-Insekten. Beispielsweise bildeten Motten und Schmetterlinge, die gemeinsam mit den Blütenpflanzen vor 130 Millionen Jahren das erste Mal auftraten, Schuppen auf ihrer Oberfläche, die es ihnen erlaubten, aus den Spinnennetzen wieder zu entkommen. (Red)