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Chinas Präsident Hu Jintao am Samstag in Hongkong.

Foto: Reuters
Es war ein Tag, der die britische Boulevardseele bis heute aufwühlt: der schwere Regen, der Union Jack, der den Fahnenmasten hinunter sinkt, die chinesischen Panzer, die ihre Motoren anwerfen. Am 1. Juli 1997 um Mitternacht gab Großbritannien seine Kronkolonie Hongkong an China zurück, und Chris Patten, „der letzte Gouverneur“, wie seine späteren Memoiren auch hießen, hat es nie verwunden. Weniger vielleicht den Umstand, dass die Briten ihr letztes bedeutendes Stück Kolonialgeschichte verloren, als dass der mühsam erreichte Handel mit Peking über Hongkongs demokratische Zukunft auch zehn Jahre nach der Übergabe nicht erfüllt ist.

Die Sonderverwaltungszone habe nicht die Demokratie, die es verdiene, sagte Patten, der später EU-Außenkommissar wurde, dieser Tage schlicht in einem Interview mit Radio-TV Hongkong, dem offiziellen Sender der Finanzmetropole an der chinesischen Küste. „Es wird keine demokratische Entwicklung in einem stabilen Umfeld geben, wenn Peking nicht zurücksteht und erlaubt, dass es geschieht“, meinte der letzte Gouverneur vor dem zehnten Jahrestag der Übergabe Hongkongs an diesem Sonntag. So aber war es zumindest von britischer Seite gedacht, als 1990 Hongkongs „Basic Law“, das Grundgesetz der Sieben-Millionen-Stadt, im Einvernehmen mit der kommunistischen Führung in Peking niedergeschrieben wurde.

"Ein Land, zwei Systeme" sind eher eineinhalb

„Ein Land, zwei Systeme“, hatte die Formel gelautet, die Chinas einstiger Wirtschaftsreformer und Parteichef Deng Xiaoping ausgegeben hatte. In Wahrheit sind es eher eineinhalb Systeme geworden. Hongkongs Untergang, wie ihn die Briten in den Tagen nach dem 1. Juli 1997 düster prophezeiten, ist allerdings ausgeblieben, Realpolitik diktiert die Entscheidungen Pekings. Denn an Machtdemonstrationen, die das internationale Vertrauen in den Finanzplatz Hongkong erschüttern könnten, hat auch Chinas heutiger Staats- und Parteichef nicht das geringste Interesse: Hu Jintao traf am Freitag ohne Begleitung aus dem Politbüro, aber mit zwei Panda-Bären als Geschenk – Jing Jing und Li Li – zur Feier des zehnjährigen Jubiläums in Hongkong ein.

In der Bastion des freien Unternehmertums, wo man immer noch links fährt und rechts denkt, greift das Gefühl vom Beginn einer neuen Etappe der Koexistenz mit Peking um sich. Die neue Ministerriege, die an diesem Wochenende angelobt wird und Äußerungen des im März von einer Wahlversammlung wiedergewählten Regierungschefs Donald Tsang lassen an eine vorsichtige Kurskorrektur glauben. Nicht so sehr in Richtung Direktwahl von Parlament und Premier, sondern in der Behandlung der sozialen Frage.

Größere Kluft zwischen arm und reich

Die Kluft zwischen arm und reich in der Stadt hat in den vergangenen Jahren nur noch zugenommen. Ein Zehntel der Hongkonger Familien verdient im Monat mittlerweile 32 Mal mehr als die zehn Prozent der sozial Schwächsten; an beiden Enden der Einkommensskala ist die Zahl der Reichen und der Armen in den vergangenen zehn Jahren größer geworden, wie eine in der vergangenen Woche veröffentlichte Studie zeigte. Vor allem der Umstand, dass eine öffentliche Pensionssicherung fehlt, die Zahl der Pensionisten aber stetig wächst und 2025 bei einem Viertel der Bevölkerung liegen wird, macht die Sache schlimmer.

Für das Räderwerk der Macht in Hongkong ist das gefährlich: Wenn die Regierung trotz fortgesetzten Wirtschaftswachstums nicht in der Lage ist, die Gesellschaft zusammen zu halten, macht sie sich angreifbar. Der Ruf nach einer Direktwahl und nach unmittelbarer Verantwortung der Regierung vor den Bürgern in Hongkong könnte drängender werden. Donald Tsang und sein gleichnamiger neuer Finanzminister John Tsang wollen deshalb ein Tabu brechen und mehr Steuern einnehmen, etwa auf Dividenden. „Wenn ich das Geld brauche, werde ich es tun“, meinte der Premier.

Marginalisierte Opposition

Die Einführung der Direktwahl, die ein Fanal für die reichen Städten auf dem chinesischen Festland wie Shanghai oder Guangzhou wäre, hatte die Zentralregierung in Peking für die Wahl des Premiers in diesem Jahr und für das Parlament im nächsten bereits abgesagt. Denn das Recht auf die Interpretation von Hongkongs Grundgesetz liegt bei der Volksversammlung in Peking. Hongkongs marginalisierte demokratische Opposition hofft nun auf den nächsten Wahltermin 2012. (Markus Bernath aus Peking, 30.6./1.7.2007)