Wien - Nachdem die Netto-Realeinkommen pro Kopf heuer nur um 0,1 Prozent und im nächsten Jahr überhaupt stagnieren werden, haben sich die Wirtschaftsforscher von Wifo und IHS für neue flexible Elemente im Lohnabschluss ausgesprochen. Nach Jahren des reinen Inflationsausgleichs müsse man wieder zu einer produktivitätsorientierten Lohnpolitik zurückkehren, sagte Wifo-Chef Karl Aiginger am Donnerstag in einer Pressekonferenz.

Neue Lösungsansätze gefragt

Weil sich die Unternehmen innerhalb der Wirtschaftszweige jedoch unterschiedlich entwickelt hätten und bei einer klassischen einprozentigen Lohnerhöhung die Lohnsteuer um zwei Prozent steige, müsse man in Ergänzung zu den derzeitigen Lohnabschlüssen neue Lösungsansätze finden, die eben nicht alleine von der Entwicklung des Wirtschaftszweiges abhängen. Aiginger plädiert für die Wahlmöglichkeit zwischen Mitarbeiter-Beteiligungen und Gewinnausschüttungen an die Mitarbeiter in Form von Erfolgsprämien - womöglich nicht nur einmalig. Dies sollte nach Meinung des Wifo im Rahmen der Kollektivverträgen in eine Formel gegossen werden.

Anders IHS-Chef Bernhard Felderer: Er plädierte am Donnerstag für ein Modell, nachdem Kollektivverträge überhaupt nur noch für jene Firmen bindend gelten sollen, die keinen Betriebsrat besitzen. Betriebsräte sollten mit ihrem Management eigene Lösungen vereinbaren können.

Uneinig sind sich Aiginger und Felderer auch in der Frage eines Sockelbetrages im Rahmen von Lohnvereinbarungen für Niedrigsteinkommen. Während das Wifo darauf verweist, dass kaum wo die Kleinsteinkommen so niedrig seien wie in Österreich, argumentiert Felderer, dass zu hohe Sockelbeträge mit Schuld an der hohen Arbeitslosigkeit gewesen seien. Laut Aiginger ist womöglich schon in der nächsten Woche eine Einigung der Sozialpartner in Sachen Mindestlohn zu erwarten.

Steuerliche Entlastung des Faktors Arbeit

Gemeinsam fordern Wifo und IHS eine steuerliche Entlastung des Faktors Arbeit. Dem Wifo geht es dabei vor allem um die Niedrigst- und Mitteleinkommen, bei denen man etwa auch im Bereich der Sozialversicherungsbeiträge ansetzen könne, wie Aiginger erklärte. Nur wenn noch etwas übrig bleibe, sollten auch hohe Einkommen entlastet werden. Felderer dagegen unterstützte den Vorstoß von Vizekanzler und Finanzminister Wilhelm Molterer (ÖVP) zur Senkung des Spitzensteuersatzes. Sonst werde Österreich das letzte Land sein, dass noch einen Spitzensteuersatz über 50 Prozent besitze. Allerdings sei auch der Eingangstarif mit 33 Prozent "ungeheuer hoch".

Reparatur der Schenkungssteuer

Bei der Debatte um die Schenkungssteuer plädiert Felderer bei der Reparatur für eine Ausnahme bei Betriebsübergängen. Vor allem bei einer Übertragung eines Unternehmens an einen Nachkommen sollte keine Steuer anfallen, auch bei einem Übergang auf den Geschäftsführer sollten die Steuersätze reduziert werden.

Beide Wirtschaftsforscher sind sich einig, dass die jetzigen hohen Steuereinnahmen dank der guten Konjunktur zunächst allerdings in den rascheren Schuldenabbau fließen sollten und die Verwaltungsreform vorangetrieben werden müsse. Nach 2008 solle - weil das Wirtschaftswachstum für das Ziel zur Erreichung der Vollbeschäftigung nicht ausreiche - zunächst in Bildung- und Qualifikationsmaßnahmen investiert werden. Erst was danach übrig bleibe solle in die gegen Ende der Legislaturperiode geplante Steuerreform fließen. Statt Einzelschritte solle man sich bis dahin ein System überlegen, sagte Aiginger. (APA)