In Italien sind Geschmacksnachhilfen und Gemüsegärten an den Schulen weit verbreitet.

Foto: Slow Food

Durch die Freude und das Interesse der Kinder wird auch jenes der Eltern genährt - ein klassischer Fall von guter Ideen-Aussaat.

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Annalisa d'Onorio

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Die Aus- und Weiterbildung von gutem Geschmack ist für Slow Food, den aus Italien stammenden Verein zur Rettung des guten Essens vor den Fängen der Convenience-Industrie, seit Beginn ein zentrales Anliegen. Aber wie soll man Kindern Gemüse schmackhaft machen, wenn sie eigentlich Pommes und Pasta futtern wollen? Annalisa d'Onorio ist bei Slow Food für die "Educazione del Gusto" (Geschmackserziehung) verantwortlich und hat Wege gefunden, den Kids gutes Essen als Schulstoff schmackhaft zu machen.

DER STANDARD: Wodurch unterscheidet sich das Projekt von Educazione del Gusto von Jamie Olivers School Dinner Projekt, das ja in Großbritannien gerade zu scheitern scheint?

Annalisa d'Onorio: In Großbritannien ist nicht nur das Projekt ein anderes, sondern die ganze Situation. Übergewicht bei Kindern ist dort viel mehr verbreitet als in Ländern wie Frankreich oder Italien. Damit möchte ich nicht sagen, dass der Zug in Großbritannien schon abgefahren ist, aber es ist viel schwieriger, dort noch eine Trendumkehr zu bewirken als hierzulande. Jamie Olivers Projekt ist außerdem mehr auf Gesundheit konzentriert - wir versuchen eher, Freude am Essen zu vermitteln.

Unser Projekt hat einen ziemlich unorthodoxen Ansatz: Wir wollen durch die Sensibilisierung des Kindes auf die ganze Familie einwirken, also über das scheinbar schwächste Glied der Gesellschaft eine Trendumkehr herbeiführen - und das funktioniert zum Teil sehr gut. In einer modernen Familie, wo beide Elternteile arbeiten, ist es natürlich eine Herausforderung, sich die Zeit und die Freiräume zu schaffen, die man nun mal braucht für bewusste Ernährung und gutes Essen. Darum versuchen wir den Spieß umzudrehen. Bei den Treffen mit den Eltern hören wir oft, dass es die Kinder waren, die sie auf die Idee brachten, anderes Gemüse zu kaufen - oder überhaupt wieder richtig zu kochen.

Dazu bieten wir die entsprechenden Anregungen: Gemüsegärten in den Schulen, Ausbildung der Lehrer, Klassenausflüge zu regionalen Käse- oder Salamiherstellern, die von engagierten Mitgliedern organisiert werden. Es geht also gar nicht so sehr darum, den Kindern anderes Essen vorzusetzen: Wir wollen ihre Neugier wecken.

DER STANDARD: Welche Altersgruppen kommen infrage?

Annalisa d'Onorio: In der Regel wollen wir Kinder zwischen drei und vierzehn Jahren ansprechen, also ab dem Kindergartenalter. Ab vierzehn wird es meist ein bisschen schwierig, die jungen Leute für Gartenarbeit zu begeistern.

DER STANDARD: Seit wann gibt es das Projekt?

Annalisa d'Onorio: Das Projekt stammt ursprünglich von Slow Food USA. Alice Waters (die berühmte Köchin aus Kalifornien ist Vizepräsidentin von Slow Food international, Anm.) begann schon Mitte der neunziger Jahre damit. In Amerika funktioniert es allerdings ein wenig anders, da steht das Kochen im Vordergrund, was in Italien wegen Sicherheitsgesetzen gar nicht möglich wäre.

Wir haben den ersten Schulgarten 2003 hier in Bra eröffnet. Heute sind mehr als hundert Schulen in ganz Italien beteiligt.

DER STANDARD: Und in Österreich?

Annalisa d'Onorio: Da tut sich schon einiges, Slow Food Steiermark hat in Zusammenarbeit mit dem Verein "Hügelland Östlich von Graz" schon sechzehn Schulgärten gegründet um die sich die pensionierte Agronomin Theresia Krammer kümmert. Diese resolute ältere Dame sorgt auch für Kontakt und Austausch zwischen den Schulen und legt besonderes Augenmerk auf Nischenprodukte und erhaltenswerte Obst- und Gemüsesorten. Sie versucht zum Beispiel auch die Zierpflanzen in den Schulen durch Beerensträuche zu ersetzen, pflanzt mit den Kindern vergessene Kartoffelsorten und legt Kräutergärten an.

DER STANDARD: Sucht ihr die Schulen aus oder kommen die Schulen zu euch?

Annalisa d'Onorio: Das ist verschieden. Sehr oft sind es Mitglieder von Slow Food, deren Kinder die Schule besuchen, die den Kontakt herstellen. Oft kommen aber auch die Schulen zu uns und manchmal sind es auch Gemeinden, die an uns herantreten. Das wichtigste sind aber die Lehrer. Wenn die nicht mitspielen dann wird es sehr schwer.

DER STANDARD: Was können die Eltern tun?

Annalisa d'Onorio: Die Eltern werden, so gut es geht, miteingebunden. Bei Slow Food verlassen wir uns allerdings nicht auf die Familie. Ich glaube allerdings, dass sich die Eltern mehr Zeit nehmen müssten, die Kinder zum Einkaufen mit auf den Markt nehmen und sie beim Kochen nach Kräften mithelfen lassen sollten. Auch die Großeltern spielen eine wesentliche Rolle, schließlich sind sie doch meistens die Hüter der Familienrezepte und der Traditionen.

Was man auf jeden Fall vermeiden sollte, ist zu viel von Kohlenhydraten, Vitaminen, Kalorien usw. zu sprechen, wenn vom guten Essen die Rede ist. Das wollen die Kinder nicht hören. Der Zugang sollte eher spielerisch und sinnlich sein, anstatt zu viel Augenmerk auf Gesundheitsfaktoren zu legen. (Georg Desrues/Der Standard/rondo/29/06/2007)