1994, mitten in der zerstörten Nationalbibliothek von Sarajewo: Dirigent Zubin Mehta, der sitzende José Carreras und das Philharmonische Orchester Sarajewo.

Foto: Philharmonisches Orchester Sarajewo
1992 wurde die Vijecnica, die Nationalbibliothek von Sarajevo, zerstört. In zwei Benefizkonzerten spielt das Philharmonische Orchester Sarajewo, das eine bewegte Geschichte hinter sich hat, für den Wiederaufbau.


Wien – Wenn Emir Nuhanovic, der Direktor des Philharmonischen Orchesters Sarajewo über die Geschichte seines Orchesters spricht, schwingt zugleich die ganze Absurdität des Bosnien-Krieges zwischen 1992 und 1995 mit.

"Wir spielten unter teilweise unmöglichen Bedingungen, ohne Strom, bei Kerzenlicht – einmal sogar bei minus sieben Grad. Aber wir spielten", so der Klarinettist, auf dessen Initiative hin sich der während des Krieges als Armeeorchester fungierende Klangkörper, der 1994 mit Zubin Mehta und José Carreras in der zerstörten Nationalbibliothek Sarajevos ein Mozart-Requiem spielte, als reguläres Orchester neu formierte.

Lange Geschichte

Die Geschichte des Orchesters reicht weit zurück und beginnt im Jahre 1923. "Es gab vor dem Bosnienkrieg jedoch kein permanentes Orchester", so Nuhanovic, "lediglich einzelne Konzertprojekte. Zudem spielten wir kein einziges Konzert außerhalb von Bosnien-Herzegowina."

Während und nach dem Krieg, der auch sieben Musiker das Leben kostete, änderte sich dies, waren die Philharmoniker jetzt ja kein Provinzorchester mehr, sondern offizielle Repräsentanten eines jungen Staates. "Plötzlich waren wir international gefragt", so Nuhanovic, der hier besonders auf die multiethnische Besetzung des Orchesters hinweist. "Auch während des Krieges spielten hier Kroaten, Serben, Moslems oder Juden miteinander. Heute sind wir ein internationales Orchester aus mehr als zwölf verschiedenen Nationen."

Die heutigen Probleme liegen vor allem in finanzieller Hinsicht – ein Umstand, der langfristige Planungen sehr schwierig mache, so Nuhanovic. Ein Problem sei aber auch die Besetzung der verschiedenen Orchesterstellen. "Wir haben zurzeit noch nicht genug Musiker in Sarajewo, uns fehlen Streicher, Oboen, Hörner und Fagotte." Nuhanovic spricht damit zugleich auch eine Einladung aus, im Orchester mitzuwirken. Das Land stelle Appartments und feste Orchesterstellen zur Verfügung.

Die Zusammenarbeit mit dem Wiener Männergesangsverein geht auf die von der ehemaligen Familienministerin Sonja Stiegelbauer und Josef Laister, den Vorstand des Männergesangsverein, ins Leben gerufene Initiative zum Wiederaufbau der Nationalbibliothek in Sarajewo zurück.

Das in den Jahren 1892 bis 1896 vom österreichischen Architekten Alexander Wittek erbaute Gebäude, das von 1910 bis 1948 das bosnische Parlament beherbergte, wurde 1992 zu 80 Prozent zerstört. Es gäbe durch dieses Gebäude sehr viele Bezüge auch zu Österreich, so Laister, der die Zusammenarbeit mit dem Philharmonischen Orchester Sarajewo auch in Zukunft fortsetzen möchte.

Die Brücke

Die Konzerte im goldenen Saal des Musikvereins sowie Tags darauf auf der Donaubühne in Tulln werden auch intensiv von Daria Krsticevic, der Botschafterin von Bosnien-Herzegowina in Wien, unterstützt. Die Kultur bilde eine sehr wichtige Brücke, so Krsticevic, die zugleich die besonders guten Beziehungen zu Österreich, das zwischen 1995 und 1996 mit den Stützarbeiten die erste Phase des Aufbaus der Vijecnica finanzierte, hervorhebt.

"Eine unserer Besonderheiten ist unser inzwischen seit zehn Jahren stattfindendes "Wiener Konzert" jeweils am 1. Juli des Jahres in Sarajewo", so Nuhanovic, der auch eine Art Opernball in Sarajewo einführen möchte. In den unter dem Motto "140 Jahre an der schönen blauen Donau" stattfindenden Konzerten in Wien und Tulln steht mit Mozart, Weber, Verdi, Johann Strauß und dem bosnische Komponisten Asim Horozic eine Mischung auf dem Programm, welche dieses Selbstverständnis des Orchesters als Botschafter der bosnischen Musik, aber auch hinsichtlich seiner Wurzeln in der Donaumonarchie verkörpert. (Robert Spoula / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 28.6.2007)